Freitag, 25. April 2014

Es ist Deutsch in Kaltland.

Lange hat es gedauert und fast hatte ich schon selbst nicht mehr daran geglaubt, doch hier ist er nun: Der letzte und wichtige Blogeintrag. Sieben Wochen nach meiner Rückkehr konnte ich mich heute dazu durchringen ein kurzes Resümee zu verfassen. Es sollen Fragen beantwortet werden wie etwa "Welche Eindrücke bleiben?", "Wer wurde wie durch was in welcher Weise beeinflusst" oder schlicht und ergreifen "Was ist geblieben von dem was bleibt?".
 
Was da noch geschah:
Ich habe die letzten beiden Wochen meines Aufenthaltes in Uganda sinnigerweise mit Reisen verbracht. Begleitet von meiner Freundin und zwei weiteren Freundinnen ging es nach 5 Tagen Kulturschock-Kampala mit gemietetem Jeep und unserem Fahrer Milton auf eine Rundreise durch West- und Nordwest-Uganda. Zwar hatte ich während meines Aufenthaltes schon viele Orte und Landschaften, wie etwa den Queen Elizabeth National Park und den Murchison Falls National Park, gesehen, was dem Ganzen hinsichtlich Schönheit und Erlebnisreichtum aber natürlich keinen Abbruch tat. Insbesondere das auch für mich neue Fort Portal, die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes und des Königreichs Toro, wo wir 3 Nächste verbrachten, hat die Kategorie wunderbare Eindrücke noch einmal stark bereichert. Dieser Beitrag soll nur mit ein paar wenigen fotographischen Eindrücke der Reise gespickt werden, um den Leser bei der Stange zu halten; aber schließlich soll hier ja eigentlich um etwas anders gehen.
 
Eine der letzten Bodafahrten durch das ebenso aufregende wie anstrengende Kampala.
 
Trotzdem muss ich das Resümee wiederum in Kampala beginnen. Die 5 Tage in denen wir die Stadt besichtigten, hatten es wie erwartet in sich. Doch so anstrengend es auch war, muss ich letzten Endes doch froh um diese Tage sein, da ich sonst eventuell mit einer rosaroten Brille auf der Nase nach Hause geflogen wäre. Mein sonst vielleicht überschwängliches ausgefallenes Urteil über die ugandische Gesellschaft wurde jedoch vor allem durch zwei Vorfälle noch einmal getrübt. Zum einen war es in den Wochen zuvor in der Altstadt scheinbar zu Übergriffen auf Frauen gekommen, die "zu leicht bekleidet" gewesen waren. Die Frauen wurden zur Demütigung in aller Öffentlichkeit ausgezogen. Auch eine Dame meiner Reisegruppe hatte sich offenbar für einige Männer (und auch Frauen) zu offenherzig angezogen, wobei ihr Kleid gerade mal kurz über dem Knie endete und einige selbstbewusste Uganderinnen deutlich aufreizender herumliefen. Als Europäerin unterliegt man hier allerdings wohl einem strengeren subjektiven Urteil. Jedenfalls mussten wir uns einige unangenehme Kommentare anhören und Argwohn war in vielen Blicken zu spüren. Eine sehr unangenehme Erfahrung. 
Hintergrund des Ganzen ist das mittlerweile verabschiedete "Anti-Pornographie-Gesetz", das unter anderem Frauen das Tragen eines zu aufreizendes Outfit verbietet (das Gesetz wurde in der Vergangenheit auch "Anti-Minirock-Gesetz" tituliert). Was "aufreizend" bedeutet wurde natürlich nicht definiert...
Denis ließ es sich natürlich nicht nehmen am Potentiam Youth Centre extra für uns einen Auftritt der 'Fontes Cultural Troupe' zu organisieren, von der in diesem Blog schon öfter die Rede war. Großartig!
 
Ein weiterer menschenrechtlicher Tiefschlag war die Verabschiedung des weltweit bekannt gewordenen "Anti-Homosexualitäts-Gesetzes". Von nun an können homosexuelle Handlungen in Uganda mit lebenslanger Haft bestraft werden. Schockiert stand man vor den Zeitungsregalen und konnte es nicht fassen, auch wenn eine Unterzeichnung des im Parlament schon kurz vor Weihnachten verabschiedeten Gesetzes durch den Präsidenten abzusehen war. Gleich wurde ich aus einem Taxi heraus angequatscht, dass dies hier Afrika sei und man keine Homosexuellen wolle. Wut und Fassungslosigkeit über soviel (vor allem fremdgesteuerte) Dummheit vermiesten mir nicht nur diesen Tag. Eine "Anti-westliche" Stimmung war deutlich zu spüren. Überhaupt hatte ich den Eindruck bekommen, dass am Ende der ganzen internationalen Diskussion von Seiten Ugandas vor allem Trotz eine bedeutende Rolle gespielt hat. 'Man lasse sich von Europa und den USA nicht ihre liberalen Gesellschaftsstrukturen aufzwingen und sich mit Geldern der Entwicklungshilfe erpressen', war eine oft vorgebrachte Reaktion. 'Homosexualität sei "unafrikanisch" und nicht Teil der ugandischen Kultur', eine andere. Hier mischt sich ein neues nationales und kulturelles Selbstvertrauen (wie es in ganz Ostafrika zu spüren ist) mit den schlechtesten Einflüssen einiger polemischer, selbsternannter Wortführer, vor allem aus dem religiösen Milieu. Das Ergebnis ist ein menschenverachtendes Gesetz, das gegen grundlegende Menschenrechte, gegen die Ugandische Verfassung selbst und gegen von Uganda unterzeichnete, internationale Abkommen verstößt. In den Medien wurde oft erwogen, dass Musevini mit der Unterzeichnung nur taktisch gehandelt habe, da er darauf spekuliere, dass das ugandische Verfassungsgericht das Gesetz aufgrund festgestellter Illegitimität wieder kassieren werde. Somit hätte er bei der Bevölkerung sein Gesicht gewahrt und würde eine wichtige Forderung der Geberländer erfüllen, die ihre finanzielle Hilfe an Uganda als Reaktion auf das Gesetzt stark beschnitten oder eingefroren haben. Wer an dem Thema interessiert ist, dem seien hier zwei sehr gute Dokumentationen zum Thema empfohlen: 'Call me Kuchu' und 'God Loves Uganda'.
Erwähnt sei noch, dass hier von den internationalen Medien Uganda herausgegriffen und intensiv behandelt wurde, es sich aber leider mitnichten um einen Einzelfall handelt. Ähnliche Gesetze gegen Homosexelle, Bisexuelle und Transgender wurde Anfang des Jahres auch vom nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan unterzeichnet. In der Mehrheit der Länder des afrikanischen Kontinents gibt es mehr oder weniger strenge Gesetze gegen homosexuelle Handlungen. Im Sudan droht z.B. die Todesstrafe. Doch nicht nur Afrika ist von der sich ausbreitenden Dummheit betroffen. Auch Indien ("größte Demokratie der Welt") hat jüngst Gesetze erlassen, die die Rechte Homosexueller beschneiden. Russland reiht sich ein und auch in Europa nehmen Ressentiments gegen Homosexuelle und ethnische Minderheiten mit dem Aufschwung einer neuen Rechten rasant zu (siehe z.B. Ungarn unter Orban als eines von vielen Negativbeispielen).
Zebras gibt es in Uganda nur im 'Lake Mburo National Park' und im 'Kidepo Valley National Park'. Wir hatten Glück und ein Zoomobjektiv und konnten sie von der Hauptstraße aus auf dem Weg nach Westen beobachten.
Mein Bild von der ugandischen Gesellschaft wurde durch diese beiden Vorfälle kurz vor der Abreise also noch einmal maßgeblich modifiziert. Es bleibt jedoch der Eindruck, dass diese ultra-konservativen und teilweise in Hass umschlagenden Ansichten bewusst von einigen Akteuren in Kirche und Staat gestärkt und radikalisiert werden.
 
Insgesamt und damit kein falscher Eindruck entsteht muss ich nun aber endlich die überfällige Lanze für die Ugander brechen. Sieht man von diesen erschreckenden Auswüchsen einmal ab (und wie immer denkt natürlich bei weitem nicht jeder so), bleibt nur positives zu berichten. Ich habe mich in Uganda zu keiner Zeit unwohl gefühlt und bin von seinen Einwohner und der entsprechenden Lebenseinstellung tief beeindruckt. Ich habe unglaubliche Gastfreundschaft erfahren, Unvoreingenommenheit und Freundlichkeit. Es herrscht eine Art vor, an die Dinge ran zu gehen, die nur als absolute Entspanntheit beschrieben werden kann ohne das in irgendeiner Form negativ zu meinen. Die Dinge funktionieren auch hier, wenn auch eben anders als in Europa. Man lernt, aus einem Moskito keinen Elefanten zu machen und nicht sogleich in Panik auszubrechen, wenn der im Kopf zurechtgelegte Plan wie gedacht nicht umsetzbar ist. Und überhaupt: Das beste und größte ist die unglaubliche Lebensfreude mit der die Menschen ihren in der Regeln schwierigen Alltag meistern. Ich habe mit Menschen an einem Tisch gesessen, deren Leben und Lebensstandard sich so fundamental von dem meinem unterscheidet, dass es jeder Beschreibung trotzt. Und trotzdem scheinen diese Leute glücklicher zu sein und mit ihrem Leben mehr zufrieden, als ich es je gewesen bin. 
Diese durch und durch subjektiven Eindrücke werden sich von denen anderer Reisender in "Entwicklungsländer" in keinster Weise unterscheiden und man hat sie sicherlich schon (zu) oft gehört. Außerdem muss man sich die Frage stellen, wie sehr man in nur einem knappen halben Jahr überhaupt in eine fremde Kultur eintauchen kann (auf jeden Fall: unzureichend) und was ein Urteil dann noch wert ist. Trotzdem, es sind diese Eindrücke die bleiben. Und noch viel mehr. Erwähnt sei nur das unglaubliche Improvisationstalent, das allgegenwärtige Rhythmusgefühl, und und und. Viele Geschichten bleiben unerzählt. Und damit haben die Ugander nun auch die verdiente Lobeshymne bekommen die ihnen im Grunde zusteht.
Um das Gras für die Tiere zu erneuern werden, wie hier im Queen Elizabeth National Park, jedes Jahr kontrollierte Brände gelegt.
Nun Zeitsprung:
Das Flugzeug setzt auf. Bei der Landung bitte klatschen, mein Freund. Flughafen Köln-Bonn. Es ist arschkalt und ich befinde mich gefühlt in der Zukunft. Das Flughafengebäude erinnert an ein Raumschiff aus einem schlechten Science Fiction mit all seinem Glas und Stahl. Alles sauber, alles gemäßigt, alles ruhig und geregelt. Im Parkhaus sieht es zunächst aus als lebten hier nur reiche Leute (und gewissermaßen stimmt das ja auch). Alles neu, alles blank poliert, alles teuer, alles Luxus. Dann die Heimfahrt über die Autobahn: Man übertreibt nicht wenn man sagt das man glaube auf einem Luftpolster mit unglaublicher Geschwindigkeit dahinzuschweben. Die Landschaft fliegt vorbei und verschwimmt und der farbliche Kontrast zu dem hinter mir Liegendem ist frappierend. Fahle Farben. Blassbrauner Acker, kahle Bäume. Ein relativ trostloses Bild. Den Jahreszeitenwechsel hatte man ja erfolgreich verdrängt.
 
 
Erneut Zeitsprung:
Statt mit dem Boda Boda durch eine dynamische Millionenstadt fahre ich mit dem Fahrrad durch die wie ausgestorben scheinende Hauptstraße meiner 8.000 Einwohner-Heimatstadt. Wenn man Vergleiche anstellt muss man manchmal lachen.
 
Wieder Zeitsprung:
Sieben Wochen sind seit meiner Rückkehr vergangen. Der Alltag hat mich wieder fest im Griff und ich merke wie ich in alte Muster zurückfalle. Erstaunlich, welchen Einfluss die Gesellschaft und das allgemeine Verhalten auf das eigene hat. Stress macht sich wieder bemerkbar. Ich stecke in den Vorbereitungen meiner Masterarbeit und mache mir selbst Stress. Unentspanntheit und Knartschigkeit sind nun keine schon fast vergessenen Gefühlszustände mehr.
 
Das Umland von Fort Portal: hunderte Kraterseen in einer hügeligen Landschaft. Im Hintergrund das bis zu 5.000 m aufragende Rwenzori Gebirge.
Was hier emotional und vielleicht zugespitzt beschrieben wird trägt im Kern natürlich viel Wahrheit. Man merkt schon, dass es viel zu viele Leute gibt (mich eingeschlossen), die sich das Leben selbst schwerer machen als es sein müsste. Man vergisst oft tatsächlich das Wesentliche und stört sich an nichtigen Kleinigkeiten. Da das Groß der Gesellschaft so handelt fügt man sich nahtlos ein in eine Nüchternheit und Engstirnigkeit, die mehr Sorgen bereitet als das sie nützt. Was die Einstellung zum Leben und den Umgang miteinander angeht, können wir uns von den Ugandern eine Dicke Scheibe abscheiden (ja, natürlich abgesehen von der in einigen Köpfen vorherrschenden Intoleranz gegenüber Minderheiten; aber das können einige im unserem Lande ja auch ganz gut). Man erschreckt und ärgert sich über sich selbst wenn man merkt, wie schnell man wieder in alte Denkmuster und Verhaltensweisen zurückfällt und hofft, dass sich die ein oder andere Einsicht doch festsetzt und erhält.
 
  
Ich möchte jedem Interessierten empfehlen Uganda zu besuchen. In keinem Land im östlichen Afrika reist es sich so unkompliziert, sicher und günstig. Der Abwechslungsreichtum der Landschaft ist atemberaubend und wird von vielen Reisejournalisten weltweit als einmalig beschrieben, gerade auch weil es sich um ein sehr kleines Land handelt. Im Grunde sind die Leute überaus (gast)freundlich, im positiven Sinne neugierig, und offen für andere Kulturen. Die ganze Region ist in fast jeder Hinsicht aufstrebend. Das Wirtschaftswachstum ist enorm, das Potential an Arbeitskräften unermesslich. Mit all den Problemen, die das Ganze mit sich bringt, ist eines sicher: Grundsätzlich haben die Entwicklungen eine positive Tendenz und Ostafrika wird zu einem bedeutenden (nicht nur) wirtschaftlichen internationalen Standort aufsteigen. Die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft bergen  eine unglaubliche Dynamik in sich, welche die alte, fette Tante Europa aussehen lässt wie ein schmauchendes, uraltes Dampfschiff, das siechend und schlingernd seinem Exitus entgegentuckert (ich übertreibe um zu verdeutlichen).
 
Ugandischer Hühnertransporter. Alle Tiere sind noch am Leben und bei Bewusstsein. Zu ihrem Leidwesen...
 
Uganda und seine Nachbarn sind sich dessen durchaus bewusst und in der ganzen Region hat sich ein neues Selbstbewusstsein und eine Selbstbestimmung entwickelt, die auch in den ganz alltäglichen Gesprächen mit Einheimischen zu spüren ist. Ausländer sind in der Regel gern gesehen, aber sie sollten auch verstehen, dass die entsprechenden Länder nun ihren eigenen Weg gehen wollen und dies schon lange tun. Ein Satz aus einem Gespräch mit einem jungen Anwalt auf einer Party in Kampala ist mir in Erinnerung geblieben und drückt meiner Meinung nach sehr viel aus, so profan er auch klingen mag. Er lässt sich in etwa wie folgt wiedergeben: "Wir wollen von euch nicht mehr gesagt bekommen was falsch und was richtig ist. Wir wollen unsere eigenen Fehler machen."
 
 
Ich weiß die Vorzüge unsere relativ freien und fortschrittlich-hochentwickelten Gesellschaft durchaus zu schätzen. Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt und schwarz-rot-gold schon gar nicht. Bewusst provokativ und plakativ kann ich es mir nicht verkneifen ganz zum Schluss wie folgt zu zitieren:
 
"Es ist Deutsch in Kaltland
 
In dem Land der sauberen Bürgersteige
 
Wo die Ordnung mehr als alles andere zählt.
 
 
Es ist Deutsch in Kaltland
 
In dem Land der glänzenden Fassaden
 
Wo man die wahre Reinheit für die reine Wahrheit hält."
 
 


 
...außerdem wurde sicherlich noch kein Blog mit einem Deutschpunk-Klassiker beendet. Wahrheiten sollte man manchmal nicht komplizierter als nötig aussprechen.  
 

Samstag, 22. Februar 2014

Heute hier morgen dort, bin kaum da muss ich fort.

Mit den Worten des großen deutschen Liedermachers soll es also enden. Schon fühlt sich alles an wie Abschied. Die Fahrt im Sammeltaxi von Kampala nach Entebbe könnte schon die letzte sein. Der Sitz ist kaputt, wird mit einer Metallstange gestützt, damit ich nicht herunterrutsche. Ich werde dieses Improvisationstalent der Uganda vermissen. So wie eigentlich das meiste. Das fantastische Wetter, die Mitbewohner und Kollegen, die Lebensfreude und Gastfreundschaft der Ugander. So fühlte es sich auf jeden Fall an, wenn man in Entebbe in einer Hotellobby sitzt um seinen letzten Blogeintrag in Uganda zu schreiben, bevor man seine Freundin und Freunde von Flughafen abholt um mit ihnen die letzte beiden Wochen in Uganda zu verbringen.
 
Die vergangenen Wochen waren ereignisreich, schön, nervenaufreibend. Begleitet von meiner französischen Mitbewohnerin Tiphaine ging es für einen Kurztrip über die Grenze nach Ruanda in die Hauptstadt Kigali. Ein Land, das Uganda augenscheinlich sehr ähnlich, aber dann doch wieder ganz anders ist. An der Grenze wird jedes Gepäckstück auf Plastiktüten untersucht. Diese sind in Ruanda verboten und werden also rigoros aussortiert. Das Verbot zeigt Wirkung: Kigali ist sauberer als viele europäische Großstädte. Überhaupt: Ordnung, Sauberkeit, Disziplin! In Kigali herrscht eine ruhige und reservierte Atmosphäre. Die Straßen sind breit und intakt. Es herrscht kein Verkehrschaos, an jeder Ampel steht mindestens ein (unbewaffneter) Polizist. Die Bodafahrer nehmen nur einen Fahrgast mit, tragen ausnahmslos einen Helm und sind sogar verpflichtet einen Zweithelm für den Fahrgast bereitzuhalten. 
Krasser Gegensatz zu Kampala: Die Straßen sind sauber und nur spärlich befahren.
Man sollte sich von diesem "Frieden" natürlich nicht täuschen lassen. Handelt es sich doch um eine von oben diktierte Ordnung. Der Arm des Regimes reicht hier deutlich weiter als in Uganda und greift auch deutlich härter durch. Somit herrscht ein schwer beschreibbarer Zustand angespannter Ruhe. Hinzu kommt die jüngste Geschichte des Landes in der der Genozid von 1994 alles überschattet und bis heute in allen Lebensbereichen nachwirkt. Man bekommt ein mulmiges Gefühl, wenn man sich vorstellt, dass sich die Menschen in den Straßen die du gerade durchwanderst vor 20 Jahren zu tausenden wortwörtlich abgeschlachtet haben. Wir besuchten das Genocide Memorial, das einen unerwartet neutralen Blick auf die Geschehnisse wirft und auch das Versagen der internationalen Gemeinschaft zu intervenieren ausführlich thematisiert ("Hotel Ruanda" ist ein sehr empfehlenswerter Film, der die Ereignisse thematisiert). Als wir nach 3 Tagen die Grenze zu Uganda mit frischem Visum überschreiten, kann man sich ein Lachen nicht verkneifen. Auf ugandischer Seite herrscht das gewohnte und lieb gewonnene Chaos, Plastik soweit das Auge reicht und die meisten Leute machen einfach was sie wollen.
No comment.
Ruanda wird auch das "Land der 1.000 Hügel" oder "Afrikanische Schweiz" genannt und wird beiden Namen gerecht. Das ganze Land ist eine wunderschöne Hügellandschaft. Auf der Hinfahrt hatten wir uns für den Nachtbus entschieden, der sich 3 Stunden verspätete. Dementsprechend war von der Landschaft nicht besonders viel zusehen. Dafür jedoch auf der Rückfahrt und, oh Uganda, immer wenn ich denke, dass das doch nun wohl alles gewesen sein muss was du an Schönheit aufzubringen vermagst, biegt der Bus um die nächste Kurve und präsentiert einen neue atemberaubende Landschaft. Der Südwesten des Landes ist, wie Ruanda, eine pittoreske Hügellandschaft, in der Tee und Kaffee angebaut wird.
Reisanbau in den Tälern Ruandas.
Das es nicht viel Sinn hat zu versuchen Menschen durch Zwang zu erziehen, zeigt sich als der Bus (einer ruandischen Busgesellschaft) die Grenze passiert hat. Der Fahrer passt sich unmittelbar den neuen Gegebenheiten an, die Hupe wird zum wichtigsten Werkzeug, die Bremsen werden geschont. Nach 12-stündiger Fahrt erreicht man Kampala und stürzt sich mitten Hinein in Wahnsinn und Chaos. Man fühlt sich gut dabei. 
 
 
Schon eine Woche später brach ich mit meinen Kollegen zu meinem zweiten field trip für Fontes Foundation auf. Wieder fuhren wir gen Westen um den Fortschritt der Wasser- und Bildungsprojekte zu überprüfen. Während der Fokus beim letzten mal auf technischen Aspekten lag, ging es bei diesem trip vor allem darum sich mit den Wasserkomitees zu treffen, die für die Verwaltung und Wartung der Wassersysteme verantwortlich sind. Wie angekündigt und mehrfach beworben, wurden wir hierbei von Sven Kämmerer begleitet, der mit Fontes Foundation ein Filmprojekt realisiert.





 
Ich werde nun die folgenden zwei Wochen mit Reisen verbringen und Abschied nehmen. Ich habe meine 5 1/2 Monate in Uganda unglaublich genossen und mehr Dinge gelernt als ich aufzuzählen im Stande bin. Vor allem dank Denis konnte ich tief in die Ugandische Kultur eintauchen, die so unglaublich bunt, komplex und vielfältig ist.
 
Vielleicht ist es eine gute Idee wenn ich ein kurzes Abschlussresümee in einem allerletzten Blogeintrag nach meiner Rückkehr nach Deutschland schreibe.
 
So wird es geschehen.

Mittwoch, 29. Januar 2014

"Wo die großen Elefanten spazieren gehen, ohne sich zu stoßen."


Es ist viertel vor sieben. In ca. 30 Minuten ist es dunkel. Ich sitze auf der Veranda vor unserem Haus und genieße einen dieser wunderbar klaren „Sommerabende“, wobei Sommer ja der falsche Ausdruck ist. Eben einer jener typischen Abende in Kampala, wo sich über mir blauer Himmel erstreckt während in der Ferne schon das nächste Gewitter heranrollt. Ein Wind kühlt den heißen Tag, irgendwo zwischen lauem Lüftchen und steifer Brise. Meine Mitbewohnerinnen wuseln umher. Man kocht zusammen oder allein oder isst außer Haus. Small talk und tiefergehende Gespräche wechseln sich ab. Ich sitze also in Kampala auf der Veranda und sinniere über die vergangenen Wochen.

In der letzten Woche durfte ich mich endlich mit Marius, Programmkoordinator bei Fontes, in den Jeep setzen und Richtung Westen brausen. Das Ziel waren Fontes Wasserprojekte, gelegen im Queen Elizabeth National Park. Früh morgens verlassen wir Kampala um nicht schon zu Anfang Stunden im Stadtstau zu verlieren. Der Plan geht auf und ohne Verzögerung geht es nordwestwärts Richtung Hoima, wo wir uns mit zwei Freunden von Marius treffen. Auch sie werden zeitweise in unsere Arbeit eingebunden. Der gigantische Lake Albert liegt zu unserer rechten, als wir unsere Reise südwärts Richtung Fort Portal fortsetzen, versteckt sich jedoch leider hinter Hügeln aus Vulkangestein und der omnipräsenten Wolke aus Staub.
Der immer wieder aufgewirbelte Staub verleiht auch der Vegetation am Wegesrand den charakteristischen rotbraun Ton. 
Ich hatte viel Gutes über Fort Portal und die die Stadt umgebene Landschaft gehört und sollte nicht enttäuscht werden. Es geht durch Wälder und vorbei an einer wunderschönen Hügellandschaft, kultiviert mit endlosen Teeplantagen. Doch schon am nächsten Tag werden die großartigen Eindrücke von einer neuen atemberaubenden Landschaft verdrängt, als wir immer südwärts Richtung Kasese und schließlich Queen Elizabeth National Park reisen. Zur Rechten erhebt sich nun majestätisch das Rwenzori Gebirge aus dem blauen Dunst, dessen höchster Gipfel mehr als 5.000 m hoch ragt. Gleichzeitig geht zur Linken das erwähnte Hügelland in Grassteppe über bevor sich südlich von Kasese die Ufer des Lake George in das Blickfeld schieben. Unversehens passiert man den Äquator. Nur zwei Seen weltweit werden vom diesem gekreuzt, Lake George und Lake Victoria. Immer diese ugandischen Superlative... Wo wir gerade dabei sind: Wir befinden uns im größten Grabenbruch der Welt, dem Great Rift Valley, genauer im westlichen Arm desselben. Mehrere Erdplatten driften hier auseinander, verdünnen die Erdkruste und lassen Magma aufsteigen. Bezeugt wird dieser Vorgang durch die über die ganze Region verteilten Kraterseen. Es entsteht ein sogenanntes Horst und Graben-System. Der Queen Elizabeth National Park liegt in eben diesem Graben und erstreckt sich uns nun zu beiden Seiten. Leider lässt sich diese bezaubernde Landschaft diesmal nur durch die Fensterscheibe wahrnehmen, viel Zeit zum Aussteigen und Fotografieren bleibt nicht. Schließlich sind wir ja zum arbeiten hier.
Es folgt ein 6-tägiger Marathon in dem wir versuchen werden alle fünf Wasserprojekte von Fontes zu besuchen und gleichzeitig einen Teil der Wasserbehandlungsanlage in Kisenyi in das Dorfinnere zu verschieben. Am Ende werden wir dem strengen Zeitplan nicht einhalten können.
Am Einlauf wird das Oberflächenwasser vom See bzw. Kanal zur Behandlungsanlage gepumpt. Das Grundwasser ist in dieser Region zu salzig und wird daher nicht genutzt.

Nachdem die Schwebstoffe im Wasser in einem ersten Schritt durch Flockungsmittel koaguliert und in einem Tank sedimentiert werden, werden die restlichen partikulären Bestandteile und die meisten Schadstoffe in den abgebildeten Sand- und Aktivkohlefilter zurückgehalten. Abschließend wird das Wasser mit einer genau dosierten Menge Chlor versetzt.

An einem solchen tap stand wird das Trinkwasser nach Reinigung für erschwingliche 100 Schilling (ca. 3 €-Cent) pro Kanister verkauft. Es ist wichtig dem Wasser einen monetären Wert zu verleihen um Verschwendung vorzubeugen. 
Doch halt! Wer jetzt denkt: „Wasserprojekte, kleine Fischerdörfer in einem afrikanischen Nationalpark, wilde Tiere? Das ist der Stoff aus dem gute Dokumentationen gemacht sind!“, der liegt vollkommen richtig. Und soll ich euch was das Beste verraten? Ihr könnt euch genau so eine Doku ins Wohnzimmer holen indem ihr Sven Kämmerer in seinen letzten 6 Tagen seiner Crowdfunding- Kampagne unterstützt!! Sven wird in einer Woche in Uganda ankommen und eine nette Doku über die Arbeit der Fontes Foundation drehen. Wer hier nicht zuschlägt (und sich für 15 € oder gerne mehr die DVD nach Hause holt), der scheint weder Hirn noch Herz zu haben. Also bitte:


Ich habe in einem früheren Beitrag schon erschöpfend den andersartigen und erfolgreichen Ansatz beschrieben, mit dem Fontes Entwicklungszusammenarbeit betreibt, weshalb ich mich im Weiteren auf meine persönlichen Erfahrungen beschränken möchte. Das Hauptaugenmerk unserer Arbeit war auf Das kleine Fischerdorf Kisenyi gerichtet, dass pittoresk am Ostufer des Lake Edward gelegen ist. Der Wasserstand in den Seen im Nationalpark ist in den vergangenen Jahren überraschend rasant gestiegen. Noch gibt es keine ausreichend Erklärung für dieses Phänomen. Aus technischen Gründen waren große Teile der Wasserbehandlung im Jahre 2007/2008 nahe des Seeufers erbaut worden. Durch den gestiegenen Wasserstand jedoch kam es in jüngster Vergangenheit immer wieder zu Überschwemmungen. Wo sich im Nationalpark flaches Wasser ausbreitet, da lassen Nilpferde und Krokodile nicht lange auf sich warten. Schon kurze Zeit später wurde ein erster Schaden an einem Kabel gemeldet, das die Solaranlage in Kisenyi mit den Pumpen verbindet. Ein Hippo war auf das Kabel getreten und hatte es zerstört. Mit solchen Problemen hat man also zu kämpfen, wenn man Entwicklungsprojekte im Nationalpark betreibt. Auch ein Solarpanel war zerbrochen, weil nach Angaben der Anwohner zwei kämpfende Hippos in den Zaun und die Solaranlage hineingefallen waren. Der Zaun, der das Pump- und Filterhaus sowie den Sedimentationsbehälter umgab ist nicht mehr. Zerstört von Elefanten und Pavianen. Durch die wiederkehrenden Überflutungen war der Zustand also untragbar und das ganze System musste in das Dorfinnere verschoben werden, dass ca.300 m vom Ufer entfernt liegt.
Die örtliche Schlachterei hat geöffnet.
 
Kisenyi landing site. Die Menschen leben überwiegend vom Fischfang. Im Hintergrund das Pumpen- und Filterhaus und der Sedimentationstank, die von den Überflutungen betroffen waren.


Natürlich sollte auch die Kommune ihren Beitrag zu den Arbeiten leisten, vor allem damit die nötige Wertschätzung des Projektes gewährleistet ist. Während der zur Mobilisierung der Gemeinde einberufenen Dorfversammlung wurde mir dann offenbart, was es heißt wenn man nicht einfach Wasserprojekte installieren, sondern ein gesamten Dorf in allen Bereichen bei seiner Entwicklung unterstützen möchte. Natürlich könnte man auch einfach mit zwei Jeeps, voll besetzt mit technischem Gerät und Experten, in das Dorf einfallen und die ganze Arbeit innerhalb von zwei bis drei Tagen erledigen, ohne die Kommune in den Prozess mit einzubinden. Doch wenn man das Ganze tatsächlich nachhaltig gestalten und mehr erreichen möchte als nur sauberes Trinkwasser zu liefern, dann muss man die Sache anders angehen. Muss das Dorf zusammentrommel, sich ausgiebig erklären, um Mithilfe werben, sich endlosen Diskussionen stellen, die nicht alle zwangsläufig mit dem eigentlichen Arbeitsauftrag zu tun haben und trotzdem keinesfalls vernachlässigt werden dürfen. Und so geschah es dann auch, dass in erwähnter Dorfversammlung der Fokus nach kurzer Zeit von der Versetzung der Wasserbehandlungsanlage zu einem ganz anderen Thema hinüber schwenkte. Vor einigen Monaten war ein Junge aus dem Dorf zunächst in die finale Auswahl von Fontes Stipendiatenprogramm gewählt worden. Das Programm sucht Paten für einzelne Kinder, die zwar gute Schulnoten aufweisen, aufgrund ihres familiären Hintergrunds (Waisen, Halbwaisen und oder Eltern/Erziehungsberechtigte mit sehr geringem Einkommen) und der abgeschiedenen Lage der Dörfer im Nationalpark (schwieriger Zugang zu guten und weiterführenden Schulen) benachteiligt sind. Die Paten bezahlen die Ausbildung der Kinder auf einer weiterführenden Schule (High School). Später kam jedoch heraus, dass der erwähnte Junge schon vor mehreren Jahren mit seiner Mutter Kisenyi verlassen hatte, worauf er aus dem Auswahlprozess ausgeschlossen wurde und ein Kind aus einem anderen Dorf in das Programm aufgenommen wurde. Das wiederum wollte die Gemeinde in Kisenyi aber gar nicht verstehen und fühlte sich um einen Platz im Programm betrogen.
Die Einbeziehung der Bevölkerung in den Entscheidungsprozess ist ein weiterer wichtiger (und komplexer) Aspekt der Arbeit von Fontes.
Unter anderem dieser Zustand wirkte sich wiederum auf die Motivation der Dorfbewohner aus, Fontes unentgeltlich bei den geplanten Arbeiten zu unterstützen. Aufgrund der mangelnden Motivation war es uns schließlich nicht möglich das System vor Ende des field trips wieder anzuschließen. Jedoch beschäftigt Fontes vor Ort einen Techniker, der mit Hilfe eines weiteren Teilzeitmitarbeiters (und wiederum ehemaligen Schülers des Fontes Stipendiatenprogramms; hier schließt der Kreis sich) mittlerweile die Arbeiten beendet hat, sodass das Dorf wieder mit Trinkwasser versorgt wird. Was hier in Ausführlichkeit beschrieben wurde soll nur verdeutlichen, wie komplex die Arbeit vor Ort tatsächlich ist. Spontane Reaktionen und Entscheidungen sind fehl am Platz, da man unter permanenter Beobachtung steht. Man muss an tausend Dinge gleichzeitig denken und sich über alle Konsequenzen seines Handelns bewusst sein.

Die Nutznießer der Projekte sollen auch selber ihren Beitrag leisten. Vor allem für das Anlegen von Gräben, dass per Hand erledigt wird, braucht es viele Freiwillige.
 
Der Besuch des Trinkwasserversorgunsprojekts in Kazinga sollte mir dann eine weitere Lektion erteilen, die ich in der Theorie schon längst verinnerlicht, in der Praxis aber noch nicht angewandt gesehen hatte. Das Dorf befindet sich in herrlicher Lage am Kazinga Channel, der Lake George mit Lake Edward verbindet. Im Gegensatz zu den anderen Projekten, die wir bisher gesehen hatten, war das System hier alles andere als in Ordnung. Die Wasserfilter wurden seit Monaten nicht benutzt und Aluminiumsulfat (Flockungsmittel) und Chlor wurden während des Pumpvorgangs gleichzeitig in das Wasser gegeben. Die Techniker des örtlichen Wasserkomitees behaupteten, dass Fontes eigener Techniker die Filter vom System getrennt hätte. Unser Techniker behauptete, dass die Verantwortlichen aus dem Dorf das System geändert hätten. Insgesamt also eine festgefahrene Situation. Auch waren alle Hähne einer der Wasserverkaufsstände geklaut worden. Die gelernte Lektion war die folgende: Im letzten Jahr hatte Fontes nicht genügend Mittel aufbringen können um, ihrem Ansatz folgend, die Projekte regelmäßig aufzusuchen und Trainings für die Techniker und Mitglieder der Wasserkomitees zu veranstalten. Das dies aber unbedingt nötig ist und was geschehen kann wenn dies nicht passiert, dass zeigt das Beispiel Kazinga. Es entstehen Konflikte zwischen einzelnen Parteien, die wiederum zu Sabotage oder schlecht oder gar nicht erledigten Arbeiten führen können. Ein vertrauensbildender Prozess der Kommunen untereinander findet nicht statt, sodass Misstrauen die Arbeit weiter verkompliziert. Schließlich werden neue Mitglieder in die Wasserkomitees gewählt und neue Techniker vor Ort angestellt, die nicht über das nötige Wissen und die Fähigkeiten verfügen das Projekt eigenständig über lange Dauer weiterzuführen. Das Büro in der Hauptstadt ist weit, die Kontrolle aus der Ferne ist schwierig und die Kommunikation nicht immer eindeutig.

Impressionen aus Kazinga.
All dies einem potentiellen Spender zu erklären und verstehen zu lassen ist nahezu unmöglich. Weshalb es auch um ein vielfaches einfacher ist Spenden für die Initialisierung eines Trinkwasserprojektes zu akquirieren, als Geldgeber für einen erfolgreichen Erhalt eines Trinkwasserprojektes zu gewinnen.
Eine Vielzahl an Affen beobachtet uns bei der Arbeit. So wie dieser Schwarz-weiße Stummelaffe (Black and White Colobus). 
Auch dieser junge Pavian genießt das Wasser aus dem Fluss. Allerding unaufbereitet...
Man kann sich vorstellen, dass sich die Feldarbeit entsprechend abwechslungsreich und vielschichtig gestaltet. Nicht zuletzt ist es unglaublich anstrengend. Der Tag beginnt in der Regel vor Sonnenaufgang mit einem schnellen Frühstück bei dem der Plan für den Tag besprochen wird. Dann geht es auf die Schotterpiste durch den Nationalpark. Sitzt man auf dem Beifahrersitz kann man noch ein wenig dösen oder die Landschaft genießen und nach Antilopen, Affen und Elefanten Ausschau halten. Sitzt man selbst hinterm Steuer kann von Genuss kaum die Rede sein. In voller Konzentration steuert man vorbei an Schlaglöchern und muss gleichzeitig die Straße zu beiden Seiten im Auge behalten, falls ebenjene Antilopen, Affen oder Elefanten plötzlich die Straße kreuzen. Man fühlt sich in ein Jump 'n' Run-Spiel aus früher Kindheit zurückversetzt. Ist am Ende des Tages die Sonne schon untergegangen wird das Ganze noch schwieriger. Auch die Sonne macht einem zu schaffen, die hier am Äquator gnadenlos hernieder scheint. Und zwar senkrecht, sodass man für die meiste Zeit des Tages auch kein schattiges Plätzchen findet.
An Warzenschweine und Paviane im Dorf hat man sich schnell gewöhnt.
Was qualvoll klingt macht in Wirklichkeit aber den größten Spaß. Die Dorfbewohner und vor allem die Kinder sind überaus freundlich und neugierig. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis durch die kleinen Dörfer zu laufen, die mit Kampala so wirklich gar nichts gemein haben und trotzdem in ihrer Einfachheit schön sind. Der Sandstrand am Ufer des Lake Edward und der nahe gelegene Fluss aus dem das Wasser gepumpt wird tun natürlich ihr übriges um zum schönes Gesamtbild beizutragen. Über den See kommen langsam kleine Fischerboote aus dem Kongo getuckert. Warzenschweine und Paviane leben dicht an dicht mit den Dorfbewohnern (besonders die Paviane oft zu dicht, sodass sie schon eine Gefahr darstellen). Nahe dem Ufer tauchen immer wieder die Rücken der Hippos wie kleine graue Inseln aus dem Wasser auf. Der Crested Crane, Ugandas Nationalvogel, stolziert umher und stört sich nicht am geschäftigen Treiben der Fischer. Du gehst deiner Arbeit nach und plötzlich läuft 20 m neben dir ein Elefantenbulle vorbei, fängt gemächlich zu grasen an. Wo eben noch die Jugend des Dorfes Fußball gespielt hat okkupieren nun 20 Warzenschweine den Fußballplatz, sodass man lieber einen Umweg macht.
Der Crested Crane ist Ugandas Nationalvogel. Nicht nur der Kranich selbst sondern auch die Farben seines Federkleides (schwarz, gelb, rot) sind auch auf der Ugandischen Flagge abgebildet. 

Es ist diese latent surreale Mischung aus Tieren in freier Wildbahn, die man bei uns nur aus dem Zoo kennt und der gleichzeitigen Arbeit mit der lokalen Bevölkerung, die sich einen besonderen Platz in der Erinnerung sichert. Ich bin froh schon in zwei Wochen zu den Projekten zurückkehren zu dürfen wo uns erneut lange Diskussionen, technische Probleme, wilde Tiere erwarten werden.


PS: Es scheint, dass mein Spendenaufruf vor Weihnachten die allermeisten Herzen nicht erwärmen konnte. Ich bin unter anderem für die Verwaltung der Spenderdatenbank zuständig und weiß also ganz genau wer noch auf der Liste fehlt! Ich versuche es also ein weiteres mal. Ich hoffe ich konnte ausreichend betonen, dass es gerade wegen Fontes auf Langfristigkeit ausgelegten Ansatzes auch auf regelmäßige finanzielle Unterstützung ankommt. Für die Sinnhaftigkeit einer Spende auf das folgende Konto verbürge ich mich hiermit persönlich:

Norway/ International
 
Bank:
Cultura Sparebank
Kontonr.:
1254.05.33553
Kontoinhaber:
Fontes Foundation
SWIFT-code:
CULTNOK1XXX
IBAN:
NO45 1254 0533 553
 
 
Adresse:
Fontes Foundation
Bernhard Herres vei 3
0376 Oslo
Norway

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Dienstag, 14. Januar 2014

Die Fischer von Kome Island

In kurzen Sätzen und einigen Bildern möchte ich im Folgenden beschreiben, was sich vor wenigen Wochen zugetragen hat.
 
Meine Mitbewohnerin Sanna und ich waren an diesem Freitag früh auf den Beinen um Denis an unserem gewohnten Treffpunkt am New Taxi Park zu begrüßen. Das Ziel unseres Kurztrips: Kome Island. Grünes Eiland im Lake Victoria, lediglich 50 km SE von Kampala gelegen bist du doch so unendlich fern der Hauptstadt und so vollkommen anders. "Vollkommen anders" beschreibt unsere 3-tägige abenteuerliche Reise in die Abgeschiedenheit wohl am besten. Immer wenn ich denke durch meine mittlerweile diversen Nah- und Fernereisen durch dieses Land nun wohl einen guten Überblick über Land und Leute gewonnen zu haben wird eine neue exotische Landschaft aus dem Hut gezaubert, gehen Menschen einer vollkommen unbekannten Beschäftigung nach, die einen in Staunen versetzt oder einem ein Lachen abringen kann. Natürlich hatten wir einen Grund die nicht ganz unbeschwerliche Reise auf uns zu nehmen. Denis Vater wohnt seit mehr als vier Jahrzehnten auf der Insel und besitzt dort ein großes Stück Land auf dem er verschiedene Hölzer anbaut, mit denen er in der Hauptstadt handelt. Nicht nur sein Vater, wie sich später herausstellen sollte. Gefühlt jeder dritte und in Realität sicherlich jeder zehnte Inselbewohner stellte sich als ein zumindest ferner Verwandter von Denis heraus.

Zunächst wurde Denis Mutter auf ihrer kleinen Farm nahe der Katosi landing site besucht. Ziegen, Schweine, Hühner, Matoke, Kartoffeln, Papaya, Matooke alles scheinbar wild durcheinander gewürfelt. Auch Denis züchtet und mästet hier ca. 5 Schweine. Wie fast jeder Ugander hat er sich somit, neben seinem Job bei Fontes, ein zweites Standbein geschaffen.
Schnell stellte sich heraus, dass dies wohl einer jener Trips werden würde, auf denen man sich einfach treiben lässt, in sein Schicksal ergibt und von den Ereignissen überraschen lässt. Denis hatte sicherlich irgendwo einen grobe Reiseplan im Hinterkopf, aber in Uganda muss man sich daran gewöhnen, dass sein Gegenüber seine Entscheidungen für sich ausmacht und plötzlich seine Pläne ändert ohne irgendwen darüber in Kenntnis zu setzen. Also einfach dranhängen und laufen lassen, das hat sich bewährt. Nachdem wir also Denis Mutter (und diesesmal habe ich mir versichern lassen, dass es sich tatsächlich um die Frau handelte, die ihn zur Welt gebracht hat und nicht eine ihrer Schwestern) besucht und einen Anstandstee getrunken hatten machten wir uns, ausgestattet mit Bananen und Avocados für die Reise, auf den vermeintlichen Rückweg zur landing site, von der aus uns ein Boot zur Insel bringen sollte. Zunächst aber wurde eine weitere Frau besucht, die sich erneut als Denis Mutter herausstellte (diesmal jedoch wieder eine Tante seiner eigentlichen Mutter; die Tradition seine Tanten ebenfalls als Mutter anzusehen ist nicht ugandaweit verbreitet, sondern lediglich unter den Baganda, den Bewohnern des zentralen Buganda Königreich von dem hier schon öfters die Rede war).


Erste Überraschung: Die Boote können nicht direkt am Ufer landen, weshalb zunächst Sanna, dann ich durch das Wasser getragen wurden. Zweite und erleichternde Überraschung: Nicht nur die Muzungus sondern alle Passagiere werden getragen. Die Träger gehen diesem Beruf offensichtlich hauptberuflich nach. Dritte Überraschung, die eigentlich niemanden mehr so wirklich überraschen sollte: Wo Menschen transportiert werden, da können auch Tiere transportiert werden. Diesmal wurde ein nicht zu beneidendes Kalb in da Boot gehievt und auf die stundenlange Fahrt über den See geschickt.
Das wir nicht selbst durch das Wasser waten müssen hat einen entscheidenden Vorteil: Wir können und nicht mit Bilharziose infizieren. Wenn man weiß wie diese Krankheit übertragen wird tut man alles um eine Ansteckung zu verhindern. In der folgenden Stunde wird allerhand verladen. Matratzen, kleine Tonöfen zum Kochen, Bier, Matratzen, Fahrräder und so weiter. Endlich machen wir uns auf die dreistündige Fahrt. Die Sonne brennt erbarmungslos, da hilft auch die beste Sonnencreme nicht. Kein Wunder, kreuzen wir auf unserer Fahrt doch den Äquator. Es wird an mehreren Inseln Halt gemacht um Mensch und Material aus- und einzuladen. Die Inseln könnten verschiedener nicht sein. Manchmal nicht viel mehr als 1 km² schroffer steiler Fels, manchmal riesengroß, flach und dicht bewuchert. Alle Fischerdörfer haben jedoch eines gemeinsam: Die zusammengezimmerten Hütten in denen die Menschen hier Leben lassen große Armut vermuten. Diese Vermutung äußernd werde ich jedoch von Denis eines besseren belehrt. Hier scheint es egal zu sein ob jemand viel oder wenig Geld zur Verfügung hat, in diesen Dörfern wohnen alle in den selben Bretterbutzen. Dies sollte sich später bestätigen. Während des ganzen Aufenthaltes auf Kome Island haben wir nur wenig gesehen, was sich als Haus bezeichnen lassen könnte und wenn, dann handelte es sich um schlichte Lehmhäuser. Auch Denis Bruder, der einige Monate im Jahr auf der Insel verbringt um zu fischen und sich in Kampala immerhin ein Haus gebaut hat, wohnt hier auf ca. 12 m² geschützt von Holzplanken und etwas Stoh und Plastik über dem Kopf.

Obwohl nicht weit von Kampala entfernt dauert die Reise (inklusive Verwandtenbesuch) einen halben Tag.

Hier gab es Abendessen und Frühstück. Bohnen, Bohnen, Bohnen.
Nach langer Reise sind wird froh endlich in einem Dorf ohne Namen auf Kome Island angekommen zu sein. Das Abendessen fällt, wie von der lokalen Küche gewohnt, ausgiebig aus. Sogar Bier ist zu kaufen. Die Unterkunft ist mit 3.000 Shilling die Nacht unschlagbar günstig und entsprechend rustikal. In das Zimmer passt ein Bett, dieselben Holzbretter wie überall dienen als Wände, der Boden ist festgestampfte Erde, es gibt Mäuse, eine Plastikschüssel und einen Kanister voll Wasser zum "duschen". Der Sternenhimmel übertrifft erwartungsgemäß alles bisher dagewesene. Kein Wunder, gibt es hier doch keine Stromversorgung und damit auch kein störendes Licht. Ein einzelner Generator stört bis 0 Uhr die Stille, der Strom für eine Bar liefert, in der Filme gezeigt werden. Am nächsten morgen machen wir uns nach zu schwerem Frühstück (Chapati und Bohnen) auf den Weg zu Denis Vater. Es geht durch dichten Wald, entlang der Küste, über kleine Flüsse, Stock und Stein. Denis Vater hat mittlerweile das stolze Alter von 75 Jahren erreicht. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwas über 50 Jahren also eine echte Ausnahme. Und definitiv ein Zeitzeuge Ugandas bewegter Geschichte. Es gibt sicherlich nicht viele Leute, die hier noch heute aus der Zeit Ugandas als britische Kolonie berichten können. Nach kurzem Aufenthalt machen wir uns auch gleich wieder auf den Weg. Die Spitze der Insel bildet ein Plateau, das erkundet werden möchte.
In Vordergrund trocknet silverfish in der Sonne, der schon vorher vorgestellt wurde. Bei Mondschein schwimmen die kleinen Fische nahe der Oberfläche und können mit Netzen einfach gefangen werden. Heute verwenden die Fischer Strahler um sie an die Oberfläche zu locken.



Hier wurden zuerst die Netze ausgebracht. Der Fischer schlägt die Vorrichtung auf das Wasser. Durch die Druckwelle werden die Fische aufgeschreckt und gehen ins Netz.
Es geht durch dichtesten Wald. Wenn man nicht aufpasst tritt man in eine Ameisenstraße und die Insekten reagieren entsprechend gereizt. Auf besagtem Plateau wächst langes Gras und gibt eine schöne Kulisse ab. Wir beschließen auf der anderen Seite der Insel ein weiteres Fischerdorf zu besuchen. Wie sich später herausstellt wohnt hier derzeit Denis Bruder, der sein Geld als Fischer verdient. Gefangen wird vor allem Nile Perch (also Nil-Barsch) und Tilapia. Erstgenannter ist deutlich größer und erzielt einen höheren Preis. Der Nile Perch kann gewaltige Proportionen annehmen, wie wir auf der Rückfahrt feststellen, als uns im Boot ca. 1,5 m lange Exemplare vor die Füße geworfen werden. Plötzlich finden wir uns in einem kleinen Kanu wieder mit dem wir zum nächsten Fischerdorf aufbrechen. Denis berichtet, dass hier sein Vater geboren wurde. Doch die Reise ist wider Erwarten noch nicht zu Ende. Von diesem Dorf geht es noch einmal zu Fuß in das nächste, wo wir unsere Wasservorräte auffrischen können.
Da Denis letzter Besuch auf Kome über 3 Jahre her ist wurden wir auf unserer Wanderung von zwei seiner Verwandten geführt.

Busch Busch!

Drei Leute rudern, einer muss mit einem Kanister das eindringende Wasser schöpfen, da das Boot leckt.
Es ist bereits 15 Uhr und Sanna und ich fangen an uns zu fragen ob wir es noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu unserer Unterkunft schaffen werden. Immerhin müssen wir zurückmarschieren, -paddeln und wieder marschieren. Auch Denis Vater wird uns nicht gehen lassen ohne uns Abendessen aufzutischen. Doch zunächst einmal wird an der Hütte von Denis Bruder eine Zwangs- und Essenspause eingelegt, denn seine Frau hat getrockneten Tilapia mit süßen Kartoffeln für uns gekocht. Als wir endlich zu Denis Vater aufbrechen haben sich uns noch weitere Personen angeschlossen, die uns begleiten. Wie befürchtet wartet hier auch Denis Schwester schon mit dem Essen auf uns. Es gibt Posho mit Bohnen und wir haben nicht mehr die Kapazität unsere Teller zu leeren. Es wird uns zum Glück amüsiert nachgesehen. Noch schnell ein paar Fotos geschossen und dann zügig zurück zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Die letzten Kilometer werden tatsächlich mehr oder weniger im Dunkeln zurückgelegt.
Familie Ssebugwawo: Denis mit Schwester und Vater. Sein Vater ist, im wahrsten Sinne des Wortes, vom alten Schlag und hat sich für das Foto extra in Schale geworfen.
Am nächsten Morgen machen wir uns früh auf den Rückweg. Die Bootsfahrt verläuft problemlos, ist mit 4 Stunden in praller Sonne jedoch eher unentspannt. Viele Passagiere schützen sich mit Regenschirmen vor der Sonne und natürlich wird auch ein Schirm für die Muzungus bereitgestellt, die die Sonne ja nicht besonders gut vertragen (wovon es zum Glück keine Fotos gibt).


So trostlos sah es dann zum Glück nicht auf jeder Insel aus...
In der Rückschau lässt sich sagen, dass ich auf diesem Ausflug einen weiteren und weitreichenden Einblick in die Ugandische Lebensweise bekommen habe. Wie immer ist es Denis zu verdanken, dass ich an diesen Ort reisen konnte, den man als Tourist sicherlich niemals zu Gesicht bekommen hätte.