Lasst mich nun von
einem kleinen, feinen afrikanischen Abenteuer erzählen, das mir das diesjährige
Weihnachtsfest ersetzt hat: eine Reise in den Osten Ugandas und eine Wanderung
auf den erloschenen Vulkan Mount Elgon und zu den Sipi Falls. Liest man die
Prospekte wird der Vulkan, der durch die Staatsgrenze in eine ugandische und
eine kenianische Hälfte getrennt wird, vor allem mit Superlativen beschrieben.
Einstmals größter Berg Afrikas, durch Erosion in 20 Millionen Jahren heute zum
siebthöchsten auf dem Kontinent degradiert. Mit 40 km² Fläche die größte Caldera
der Welt. Wasserlieferant für über eine Millionen Ugander und biologischer
Schwamm, der hier selten gewordenen Tier- und Pflanzenarten einen willkommenen Rückzugsraum
bietet. Am sehr frühen Samstagmorgen mache ich mich auf die Reise. Die Sonne
ist noch nicht aufgegangen, die Stadt schläft ihren Rausch vom Freitagabend
aus. Nur wenige Autos und Bodas sind unterwegs. Die Luft ist ausnahmsweise
angenehm frisch. Trotzdem saust der nie ganz verschwindende Dunst durch das
Scheinwerferlicht, von dem man an diesem Morgen nicht weiß ob es sich um frühen
Nebel oder um den noch nicht gelegten Staub des vergangenen Tages handelt. Ein
Blick in die Kronen der Palmen bescheinigt erneut: Dies ist ganz eindeutig Fledermausland
und die Dämmerung gehört ihnen. Auf dem Hof des post office stehen vier rote
Postbusse bereit um die Menschen zu Weihnachten in alle Himmelsrichtungen in
ihr Heimatdorf zu transportieren. Das Ganze geht wie immer chaotisch aber
gesittet zu. Nach mehrmaligem Nachfragen entscheide ich den Bus nach Mbale
gefunden zu haben. Ich bin froh mit wenig Gepäck zu reisen und somit nicht eine
halbe Stunde warten zu müssen bis es im Laderaum verstaut ist. Der Bus selbst
ist in erstaunlich gutem Zustand. Sogar ein kleiner Flachbildfernseher ist
vorhanden, auf dem während der Fahrt ugandische Musikvideos zu sehen sein
werden. Da ich pünktlich dort bin und viele Ugander nicht kann ich mir einen
bequemen Fensterplatz aussuchen. Dieses mal werde ich wohl ausnahmsweise
relativ schmerzlos reisen, da ich tatsächlich genug Platz für meine Beine habe.
Mit nur einer Stunde Verspätung fahren wir los; raus aus Kampala und entkommen
dem Hexenkessel. Ich bin gespannt, der Osten des Landes soll wunderschön sein. Eine
Dunstglocke scheint nicht nur über der Stadt sondern dem gesamten Land zu
liegen. Die Fahrt bis nach Mbale dauert ca. sechs Stunden. In jeder größeren
Stadt wird am post office gehalten, Säcke voller Briefe und Pakete werden nach
einem sich mir nicht erschließenden System ausgeladen. Menschen steigen ein und
aus, werden von ihren Verwandten verabschiedet oder begrüßt. Das Personal des
Busses verdient sich ein bisschen Bestechungsgeld, indem es sich manchmal
weigert noch mehr Gepäck in die Luken zu stopfen. Erst nach Zahlung von 5.000
Schilling und mehr sind sie bereit das Gepäck einzuladen. Natürlich werden auch
die obligatorischen Hühner transportiert und dieses mal im Laderaum verstaut.
Die Menschen haben immerhin die Güte die festgebundenen Füße loszuschneiden,
damit sich das Federvieh vor umherfliegenden Gepäck retten kann. Die Landschaften
und Städte ziehen vorüber. Jinja, Tororo, dazwischen riesige Tee- und
Zuckerrohrfelder, Mais, Reis, Kartoffeln oder Sumpfland, das dicht mit Papyrusstauden
bewachsen ist, die an grüne, zu groß geratene Pusteblumen erinnern. Und
allgegenwärtig der charakteristische, nie endende Kontrast von rostrot und
sattem Grün, wenn sich eine Lehmstraße durch die Landschaft schlängelt. Mir
fällt auf, dass ich der einzige Muzungu im Bus bin. Das Land wird zunehmend
flacher und erstreckt sich um Tororo und Mbale in einer endlos scheinenden
Ebene, die hier und dort von vulkanischen Hügeln unterbrochen ist, die wie
Pilze in der Landschaft stehen.
Mbale ist eine der größeren Städte im Land und
liegt am Rande eines Ausläufers des Mount Elgon. Von hier aus werde ich ein
Taxi nehmen um nach Budadiri zu gelangen, dem Ausgangspunkt für meine
Wanderung. Bei dem Taxi handelt es sich diesmal noch nicht einmal um einen der
Toyota-Kleinbusse und es wir statt Huhn ein riesiger, bemitleidenswerter
Truthahn mitgenommen, auf dem beim Ein- und Aussteigen unweigerlich alle Leute
herumtreten. Die Straße ist schlecht, staubig und die 40 minütige Fahrt der
reine Horror. Da hatte ich mich wohl zu früh gefreut. Im Büro der Ugandan
Wildlife Authority bezahle ich die Tour. Ich muss den Eintritt in den
Nationalpark und einen Ranger bezahlen. Außerdem miete ich eine Isomatte und
ein Zelt, das sich leider als recht schwer herausstellt. Als ich bekanntgebe,
dass ich keinen Träger für mein Gepäck möchte werde ich nur zweifelnd
angeschaut. Um Geld zu sparen beschließe ich mir einen Tag zu schenken, indem
wir am ersten Tag ein Camp überspringen. Das bedeutet zwar einen Aufstieg von
1.700 m auf 3.500 m in einem Rutsch, spart mir aber ca. 100 Dollar. Die Nacht
verbringe ich in einer einfachen und günstigen Unterkunft. Budadiri ist ein
kleines Dorf wie viele andere. Man bekommt hier das Gefühl tatsächlich im
tiefsten, ländlichsten (und ärmsten) Afrika angekommen zu sein.
Eindrücke aus Budadiri, das den meisten Wanderern als Ausgangspunkt für die Besteigung des Mount Elgon dient. |
Tag 1
Nach kargem Frühstück
geht es um 7 Uhr zurück zum Büro der UWA, wo ich den Ranger treffe, der mich
die nächsten Tage begleiten Wird. Moses scheint ein sehr netter Typ zu sein.
Auch von ihm ernte ich nur ein müdes Lächeln als er erfährt, dass wir ohne
Träger losziehen werden. Zumindest für meinen Teil. Moses ist erst gestern von
einer Tour zurückgekehrt, entsprechend erschöpft und sein Gepäck wird getragen.
Der erste Teil der Tour wird wider Erwarten auf dem Boda bestritten. In
halbstündiger Fahrt geht es auf einer Staubpiste bis zum Ausgangspunkt, vorbei
an Bananenplantagen und einfachen, runden Lehmhütten. Die Menschen müssen hier
sehr arm sein, was mir später von Moses bestätigt wird. Die allermeisten sind
Kleinbauern, die Kaffee, Bohnen, Zwiebeln und dergleichen anbauen. Das meiste
Geld wird mit Kaffee verdient, aber da der Preis jüngst eingebrochen ist geht
es den meisten Familien im Moment in finanzieller Hinsicht recht schlecht.
Bevor es los geht bringen uns die Bodas zum Ausgangspunkt der Wanderung, der noch ca. 10 km von Budadiri entfernt liegt. |
Eine Frau mischt Lehn, Stroh und Dung zu einem Zementersatz, mit dem die Hauswand im Hintergrund verputzt wird. |
Gleich nachdem wir
losgegangen sind meldet Moses erste Zweifel bezüglich des Trägers an. Es
scheint lediglich zwei Optionen zu geben: Entweder sein Gepäck selber zu
schleppen und im ersten Camp auf 2.900 m die Nacht zu verbringen oder das Camp
zu überspringen, dann aber mit Träger. Wird man sehen, denke ich und so ziehen
wir los. Das ambitionierte Tagesziel heißt Mude Cave Camp auf 3.500 m+NN. Der
Weg („Sasa trail“) verläuft bis zur Grenze des Mount Elgon National Parks durch
bewohntes und ackerbaulich intensiv genutztes Gebiet. Kleine und größere Flüsse
rauschen an uns vorbei oder wollen überquert werden. Kinder helfen bei der
Feldarbeit, laufen uns entgegen als sie uns entdecken, folgen uns für eine Weile.
Moses kennt hier jeden und es wird öfters gestoppt um sich kurz auszutauschen. Hier,
im Osten Ugandas, wird nicht Luganda sondern Swahili gesprochen. Moses Träger
kommt uns entgegen, lediglich ausgerüstet mit Gummistiefeln und einer Machete.
Die Menschen, die hier leben und arbeiten, bewegen sich spielend leicht und
meist barfuß den Berg hinauf und hinab, während man selbst nach wenigen Minuten
im Schweiß badet. Die Luft ist klar und frisch und riecht nach Gemüse. Die
Landschaft ist wunderschön und blickt man zurück, so hat man einen
weitreichenden Blick auf die flache Ebene, die sich westlich des Vulkans
erstreckt. Noch bevor wir den Nationalpark erreichen hat mich Moses überzeugt
doch einen Träger für den ersten Tag zu bezahlen. Nach kurzem Kampf zwischen
Stolz und Vernunft muss ich schließlich einsehen, dass es gerade am ersten Tag
keine gute Idee sein würde sich kaputt zu laufen. Schließlich sollte es am
folgenden Tag auf den Gipfel gehen.
Das erste Stück Weg führt vorbei an kleinen Hütten und Feldern. |
Wunderschöne Aussichten hält der Aufstieg bereit. Am Fuße des Ausläufers im Hintergrund liegt Mbale. |
Die Grenze des
Nationalparks ist lediglich dadurch auszumachen, dass der Feldbau von Wildwuchs
abgelöst wird. Doch immer wieder kommen uns Viehhirten und Männer entgegen, die
Bambus und Feuerholz auf den Kopf bergab tragen. Moses erklärt mir, dass es der
lokalen Bevölkerung in bestimmtem Maße trotz Nationalpark gestattet ist einige
Ressourcen wie eben Feuerholz zu nutzen. Der Anstieg ist nun steil, in praller
Morgensonne. Der Schweiß fließt, sammelt sich an der Nasenspitze und tropft in
regelmäßigen Abstand zu Boden. Bald erreichen wir die zweite Vegetationsstufe,
den Bergwald, der kühlend Schatten spendet. Alte, moosige Bäume, die von Lianen
und Flechten bewachsen sind verleihen dem Ganzen eine Art verwunschenen
Eindruck. Die Flechte wird übersetzt „Bart des alten Mannes" genannt und
dient getrocknet dem Menschen als Fidibus, dem Vogel zum Nestbau. Fremdartige
Blumen, Sträucher und Bäume vermitteln einen überdauernden Eindruck. Besonders
die Lobelia erinnert mich an Bilder meiner
Erdgeschichte- und Paläontologie-Vorlesungen.
Tiefer Urwald mit Bart. |
Am frühen Nachmittag
erreichen wir das Sasa River Camp. Die Träger stürmen sofort in die hier
errichtete Hütte und entfachen ein Feuer. Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln
werden präpariert und zusammen mit Posho auf offenem Feuer gekocht. Die Machete
wird hierbei als Allzweckwerkzeug beeindruckend behände eingesetzt. Ich gebe
mich mit einem Apfel und ein paar Keksen zufrieden, schlage den angebotenen Tee
jedoch nicht aus. Während der Körper abkühlt merkt man wie kalt es hier oben
ist. Nach ca. einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg. Der Bergwald geht
hier in einen Bambusmischwald über, der auf ca. 3200 m schließlich von einer
deutlich kargeren Heidelandschaft abgelöst wird. Hier dominieren Gräser, kleine
Sträucher und eine weitere Art Lobelia, die schon mehr an einen Baum erinnert. Nach
sieben Stunden erreichen wir das Mude Cave Camp, das Zelt wird aufgebaut und es
wird gekocht. Ich kann mich vor einer recht kühlen und unbequemen Nacht noch am
Feuer wärmen, während die Ranger und Träger auf einem Handy Dokumentationen
über die ugandische Armee und ihren Kampf gegen Joseph Kony’s LRA und in
Somalia schauen. Ich lerne, dass Moses 32 Jahre alt ist und seit 7 Jahren als
Ranger arbeitet. Wir unterhalten uns auch ein wenig über die traditionellen
Beschneidungen, die in dieser Region nach wie vor durchgeführt werden. Zwei
Tribes beschneiden die Jungen im Alter von ca. 15 Jahren, ein Tribe beschneidet
Mädchen. Letzteres wird aber von der Regierung untersagt und ist offiziell
verboten. Der Vater bereitet die Beschneidung vor. Betäubt wird nicht und es
ist nach Moses Aussagen äußerst schmerzhaft, sodass immer genügend Alkohol für
den Jungen bereitgehalten wird um ihm wenigstens etwas die Sinne zu vernebeln.
Desinfiziert wird die Wunde anschließend mit Asche. Durchgeführt wird die
Operation von „Chirurgen“, wobei ich nicht herausfinden konnte ob es sich dabei
tatsächlich um ausgebildetes medizinisches Fachpersonal handelt. Auch rituell
hat die Beschneidung eine große Bedeutung. Der Schwanz eines Colobus-Affen
spielt eine gewisse Rolle, mehr erfuhr ich hierüber allerdings nicht.
Auf über 3.000 m lichtet sich der Wald und macht einer Heidelandschaft Platz. |
Tag 2
Heute soll es also auf
den Wagagi-Gipfel gehen, mit 4321 m +NN der höchste Punkt des Mt. Elgon. Um
6.30 Uhr stehe ich auch, um 7 wollen wir loslaufen, damit wir auf dem Gipfel
sind bevor uns die Wolken die Sicht auf das Umland verwehren. Zunächst einmal
einen Tee um die durch die Kälte starren Glieder zur Aktion zu motivieren.
Sonnencreme nicht vergessen. Gestern sind 3 Kroaten vom Gipfel gekommen, mit
krebsroter Haut und Sonnenstich. Wir gehen also los. Oberhalb des Camps geht
die Heidelandschaft schnell in Moorland über. Der Pfad ist schmal und
ausgetreten. Es hat Frost gegeben, das Wasser in den Pfützen ist noch gefroren.
Schweigend gehen wir der aufgehenden Sonne entgegen, der Gipfel ist noch nicht
zu sehen, wird von der Jackson Peak, dem zweithöchsten Gipfel verdeckt, hinter
der nun mit aller Gewalt die Sonne hervorbricht. Selbst mit Sonnenbrille
schmerzen die Augen; halbblind geht es weiter. Man merkt hier deutlich, dass
man sich eigentlich erst an die Höhe gewöhnen müsste, da das Atmen nicht leicht
fällt. Auf knapp über 4.000 m erreichen wir den Jackson Pool, einen kleinen,
flachen See, der durch Regenwasser gespeist wird und in dem sich blauer Himmel
und Landschaft spiegeln. Die Jackson Peak ragt nur 150 m über diesen Punkt
hinaus und scheint doch in unerreichbarer Höhe. Die Landschaft wird zunehmend karger
und steiniger, bunte Flechten in rot, gelb und grün säumen den Weg. Wir
umrunden die Jackson Peak, erreichen den Kraterrand und der Wagagi-Gipfel kommt
in Sicht. Der erste Blick in die „größte Caldera der Welt“ fällt überraschend
unspektakulär aus. Wie die übrige Landschaft ist alles von Gras bewachsen,
leicht hügelig, also eher weich als schroff. Zahlreiche Kraterseen verschönern
den Anblick und einige Gipfel säumen den Rand der Caldera; irgendwo dazwischen
beginnt Kenia.
Die höchste Erhebung im Hintergrund ist die Jackson Peak. |
Der Jackson Pool auf 4.000 m Höhe. |
Der Wagagi-Gipfel aus der Ferne. |
Der Blick in die größte Caldera der Welt fällt recht unspektakulär aus. |
Dann also das letzte
Stück zum Gipfel. Gleichzeitig mit der Höhe nimmt die Schwere der Beine zu und
das Herz pumpt, dass es im Kopf nur so rauscht. Leichte Anzeichen von
Höhenkrankheit zeigen sich, doch die Kopfschmerzen bleiben zum Glück im
durchaus erträglichen Maß. Wir erreichen den Gipfel, auf dem ein bitterkalter
Wind weht. Karger Fels auf 4321 m +NN, doch selbst hier ist die Baumgrenze noch
nicht erreicht. Der Ausblick ist schön und wir sind gerade noch rechtzeitig
angekommen. Erst Wolken greifen wie schaumige Finger über die niedrigeren
Gipfel und den Rand der Caldera und drohen alles unter sich zu begraben. Moses
heißt mich auf dem Wagagi-Gipfel willkommen, der von Einheimischen auch „Gipfel
der Sonne“ genannt wird. Zur Feier des Tages spendiert er eine Mango. Da die
klimatischen Verhältnisse leider nicht zum längeren Verweilen einladen machen
wir uns nach nur einer Viertelstunde erleichtert auf den Rückweg. Dieser fällt
deutlich länger als geschätzt aus und man fragt sich immer wieder, wie man es
kurze Zeit zuvor überhaupt hier hoch geschafft hat. Der sich ankündigende Regen
macht Druck, mahnt zur Eile. Das nun aufgetaute Moorland ist tatsächlich recht
sumpfig, macht die ganze Sache etwas rutschig, aber federt immerhin den raschen
Schritt.
Geschafft und erleichtert erreicht man die Spitze. Moses war so nett mir seine Wollmütze zu leihen. |
Wir schaffen es gerade
noch rechtzeitig zurück zum Camp, bevor der Regen einsetzt. Es ist erst kurz
nach Mittag, sodass man sich den Rest des Tages von den Strapazen erholen kann.
Es wird die weitere Route besprochen und beschlossen am Vormittag des folgenden
Tages die nahe gelegene Wasserfälle zu besuchen bevor man den Abstieg auf dem
Sasa-Trail beginnt. Wir bleiben nicht lange alleine. Zwei weitere Gruppen
treffen ein, sodass die Hütte bald voll ist. Ein deutsch-niederländisches
Pärchen hat den Trägern ein Weihnachtsgeschenk in Form eines lebenden Hahns
gemacht, der auf den Berg hinauf geschleppt und am nächsten Tag geschlachtet
und zubereitet wird. Es gibt Tee; Kartoffeln, Matoke und Fleisch werden einfach
in die Glut gelegt, mit den Händen gewendet und wieder herausgenommen.
Überhaupt scheinen alle recht resistent gegenüber Hitze zu sein, da keiner ein
Problem damit hat in die Glut oder die offenen Flammen zu greifen.
Moses und die Träger kochen Tee, den man nach eisigen Temperaturen auf dem Gipfel nötig hat. |
Tag 3
Nach einer zu langen,
unbequemen Nacht lassen Moses und ich uns heute Zeit und starten erst gegen 9
Uhr zu den Dirigana Falls. Im Vergleich zu gestern ein dreistündiger
Spaziergang. Das Panorama ist fantastisch. Im Vordergrund die weichen, mit
Lobelia bewachsenen Hügel, während sich im Hintergrund, fast im blauen Dunst
verschwindend, ein Gebirge aufzutürmen scheint, bei dem es sich jedoch um die
letzten Ausläufer des Mount Elgon handelt. Wir erreichen einen schönen Flecken,
an dem ein Fluss 6 m in die Tiefe stürzt. Nach der Mittagspause beginnt der
Abstieg zum Sasa River Camp, der entspannt beginnt, jedoch schnell erneut in
einen Wettlauf gegen den Regen ausartet, den wir dieses mal verlieren. Der
Regen macht den Weg durch den Bergwald zu einer einzigen Rutschpartie. Am
Wegesrand wächst Artemisia, ein bewährtes Heilkraut zur Behandlung von Malaria.
Trotz Verbot gestattet mir Moses ein Ansichtsexemplar mitzunehmen. Vielleicht
kann man das in Zukunft ja noch gebrauchen… Nass und dampfend erreichen wir die
Hütte. Ich kann mir nach drei Tagen zum ersten die Haare mit dem eiskalten
Flusswasser waschen; eine wahre Erlösung. Heute werden Moses und ich unter uns
bleiben. Das Feuerholz ist nass und verwandelt die Hütte endgültig in eine
Räucherkammer. Aus Gründen des Wetters und der Geselligkeit wird beschlossen,
das Zelt nicht noch einmal aufzubauen, sondern die Nacht zu zweit in der Hütte
zu verbringen. Moses läuft noch einmal einen Kilometer zurück um einen dicken
Baumstamm zur Hütte zu rollen, den wir in der Folge versuchen werden unter
Feuer zu setzen. Helfen lässt er sich erst auf den letzten Metern.
Dirigana Fälle. |
Es ist erst früher
Nachmittag, also genug Zeit um ein wenig kulturellen Austausch zu betreiben. Da
Heiligabend ist werden unweigerlich das deutsche und das ugandische
Weihnachtsfest miteinander verglichen. Anders als in Deutschland wird der
Heiligabend in Uganda nicht gefeiert. Es gibt auch genug zu tun, da es üblich
ist, dass man in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurückkehrt (die hier in aller
Regel ja relativ groß ausfällt). Natürlich muss hierbei die Frau ihren Mann in
sein Heimatdorf begleiten und nicht umgekehrt. Der 24.12 wird also überwiegend
mit Schlachten und den weiteren nötigen Vorbereitungen zugebracht. Das
eigentliche Weihnachtsfest wird dann am 25.12 gefeiert und zwar so, wie man es
bei uns auch kennt. Ich erkläre Moses, dass bei uns die eigentliche Feier am
Heiligen Abend stattfindet, während die beiden Weihnachtstage vor allem für jede
Menge Kaffee mit Verwandtschaft vorgesehen sind. Mein Heiligabend ist
wahrlich kein Vergnügen. Alle Knochen schmerzen, die harte Holzpritsche gibt
einem keine Ruhe. Sobald die Flammen kleiner werden machen sich die Mäuse in
der Hütte bemerkbar. Moses steht ca. 20 mal während der Nacht auf um Feuerholz
nachzulegen, was aufgrund der Nässe jedes Mal zu Rauchentwicklung führt, die
einem kaum atmen lässt.
Das Sasa River-Camp wir nach Ankunft erst einmal ausgeräuchert. |
Tag 4
Entsprechend gerädert
beginnen wir am nächsten Tag um 6.30 Uhr den restlichen Abstieg. Der Regen
scheint sich glücklicherweise auf den Wald beschränkt zu haben. Der Weg wird
nach Verlassen des Waldes so steil, dass ein Abstieg im Regen unmöglich oder
zumindest sehr gefährlich gewesen wäre. Wieder geht es also durch die
wunderschöne Kulturlandschaft, vorbei an der Nationalparkgrenze, Feldern und
auf ihnen arbeitenden Bauern, bei herrlichem Wetter und schönem Ausblick. Die
Knie schmerzen und sehen dem Ziel schon freudig entgegen. Schon um 9 Uhr sind
wir endlich wieder am Ausgangspunkt unserer Wanderung angelangt und die beiden
Bodas bringen uns in wilder Fahrt bergab zum Büro der Wildlife Authority. Ich
bedanke mich herzlich bei Moses, der sich rührend um mich gekümmert hat und
schenke ihm zu Weihnachten meine kleine Kurbeltaschenlampe, da sie mir für ihn
am nützlichsten scheint. Ich verhandele einen Preis mit einem der Bodafahrer,
damit er mich zu den Sipifällen bringt, der bekanntesten touristischen
Attraktion im Osten Ugandas, von der ich sehr viel Gutes gehört habe. Meine
längste und schönste Bodafahrt beginnt. Über Lehm- und Teerstraßen geht es
zügig nach Norden, zur rechten immer den Flanken den Mount Elgon folgend. Auf
der gut ausgebauten Teerstraße dreht der Fahrer voll auf, sodass sich
Adrenalin, Freiheitsgefühl und latente Todesangst die Hand reichen. In den
kleinen Kirchen am Wegesrand werden Weihnachtsmessen gefeiert, also getanzt und
laut gesungen. Moses erklärte mir, dass hier in der Regel die Weihnachtsmesse
kürzer als der gewöhnliche Gottesdienst ausfällt (2 ½ statt 3 Stunden), da alle
viel zu tun haben. Nach 30 Minuten biegen wir ab und folgen der Teerstraße
Richtung Sipi, die sich nun in Serpentinen wieder eine Bergflanke
hochschlängelt, die wunderschöne Aussichten auf das Umland bereithält. Die
Prospekte haben nicht gelogen, die Gegend um die Sipifälle (bei denen es sich
um eine Kaskade von drei Wasserfällen handelt, der größte von ihnen
beeindruckende 100 m hoch) ist wunder-, wunderschön. Der richtige Ort um sich
in den nächsten beiden Tagen von den Entbehrungen und Strapazen zu erholen. Am
nächsten Tag werde ich das deutsch-niederländische Paar wiedertreffen, die sehr
freundlich sind und mir anbieten mich in einem special hire (was man bei uns
als Taxi bezeichnen würde) bis nach Jinja mitzunehmen, was mir viel Geld und
Zeit spart. An dieser Stelle noch einmal danke dafür!
An den mächtigen Sipi-Fällen stürzt das Wasser fast 100 m unter lautem Getose in die Tiefe. |
Der Blick von meinem Zimmer aus... |
War noch etwas? Ach
ja, Weihnachten. Viel hat man nicht davon mitbekommen. Die Reden und der Gesang
der Kirche wurden stundenlang bis zu meiner Unterkunft getragen. Nach der Messe
stellte sich die Unterkunft dann auch als beliebter Treffpunkt zur Feier bei
der lokalen Bevölkerung heraus. Die Kinder waren sehr putzig in den besten
Klamotten und viel zu großen Schuhen, die in der Regel nicht wirklich zusammen
passten. Anders als daheim steht das Leben über Weihnachten aber nicht wirklich
still. Viele Läden sind nach wie vor geöffnet und es schien mir als würden die
meisten Menschen nach der Kirche ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen.
Ugandischer "Tannenbaum". |
In der Rückschau ein
wunderbares, kleines Abenteuer in einer spektakulären, wilden und
naturbelassenen Landschaft und eine gute Alternative zum ausgefallenen
Weihnachtsfest.
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