Montag, 30. Dezember 2013

Let there be water - Ein Film über die Fontes Foundation Uganda

Wen ich durch meinem Spendenaufruf für die Fontes Foundation vor Weihnachten nicht überzeugen konnte, der hat nun die Möglichkeit Sven Kämmerer bei seinem Filmprojekt zu unterstützen. Sven wird im Februar nach Uganda reisen um in einer kurzen Dokumentation die Arbeit der Fontes Foundation Uganda vorzustellen und zu porträtieren. Um die Kosten für die Reise und die Herstellung des Films abzufedern hat er eine Crowdfunding-Kampagne aufgesetzt.
Wer das, wie ich, für eine super Idee hält, deren Umsetzung unterstützt werden sollte, kann unter folgendem Link seinen Beitrag zur Realisierung dieses spannenden Projekts leisten:

 
Wie immer ist jeder noch so kleine Beitrag sinnvoll und willkommen!

Auf zum Sonnengipfel des biologischen Schwamms!

Lasst mich nun von einem kleinen, feinen afrikanischen Abenteuer erzählen, das mir das diesjährige Weihnachtsfest ersetzt hat: eine Reise in den Osten Ugandas und eine Wanderung auf den erloschenen Vulkan Mount Elgon und zu den Sipi Falls. Liest man die Prospekte wird der Vulkan, der durch die Staatsgrenze in eine ugandische und eine kenianische Hälfte getrennt wird, vor allem mit Superlativen beschrieben. Einstmals größter Berg Afrikas, durch Erosion in 20 Millionen Jahren heute zum siebthöchsten auf dem Kontinent degradiert. Mit 40 km² Fläche die größte Caldera der Welt. Wasserlieferant für über eine Millionen Ugander und biologischer Schwamm, der hier selten gewordenen Tier- und Pflanzenarten einen willkommenen Rückzugsraum bietet. Am sehr frühen Samstagmorgen mache ich mich auf die Reise. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, die Stadt schläft ihren Rausch vom Freitagabend aus. Nur wenige Autos und Bodas sind unterwegs. Die Luft ist ausnahmsweise angenehm frisch. Trotzdem saust der nie ganz verschwindende Dunst durch das Scheinwerferlicht, von dem man an diesem Morgen nicht weiß ob es sich um frühen Nebel oder um den noch nicht gelegten Staub des vergangenen Tages handelt. Ein Blick in die Kronen der Palmen bescheinigt erneut: Dies ist ganz eindeutig Fledermausland und die Dämmerung gehört ihnen. Auf dem Hof des post office stehen vier rote Postbusse bereit um die Menschen zu Weihnachten in alle Himmelsrichtungen in ihr Heimatdorf zu transportieren. Das Ganze geht wie immer chaotisch aber gesittet zu. Nach mehrmaligem Nachfragen entscheide ich den Bus nach Mbale gefunden zu haben. Ich bin froh mit wenig Gepäck zu reisen und somit nicht eine halbe Stunde warten zu müssen bis es im Laderaum verstaut ist. Der Bus selbst ist in erstaunlich gutem Zustand. Sogar ein kleiner Flachbildfernseher ist vorhanden, auf dem während der Fahrt ugandische Musikvideos zu sehen sein werden. Da ich pünktlich dort bin und viele Ugander nicht kann ich mir einen bequemen Fensterplatz aussuchen. Dieses mal werde ich wohl ausnahmsweise relativ schmerzlos reisen, da ich tatsächlich genug Platz für meine Beine habe. Mit nur einer Stunde Verspätung fahren wir los; raus aus Kampala und entkommen dem Hexenkessel. Ich bin gespannt, der Osten des Landes soll wunderschön sein. Eine Dunstglocke scheint nicht nur über der Stadt sondern dem gesamten Land zu liegen. Die Fahrt bis nach Mbale dauert ca. sechs Stunden. In jeder größeren Stadt wird am post office gehalten, Säcke voller Briefe und Pakete werden nach einem sich mir nicht erschließenden System ausgeladen. Menschen steigen ein und aus, werden von ihren Verwandten verabschiedet oder begrüßt. Das Personal des Busses verdient sich ein bisschen Bestechungsgeld, indem es sich manchmal weigert noch mehr Gepäck in die Luken zu stopfen. Erst nach Zahlung von 5.000 Schilling und mehr sind sie bereit das Gepäck einzuladen. Natürlich werden auch die obligatorischen Hühner transportiert und dieses mal im Laderaum verstaut. Die Menschen haben immerhin die Güte die festgebundenen Füße loszuschneiden, damit sich das Federvieh vor umherfliegenden Gepäck retten kann. Die Landschaften und Städte ziehen vorüber. Jinja, Tororo, dazwischen riesige Tee- und Zuckerrohrfelder, Mais, Reis, Kartoffeln oder Sumpfland, das dicht mit Papyrusstauden bewachsen ist, die an grüne, zu groß geratene Pusteblumen erinnern. Und allgegenwärtig der charakteristische, nie endende Kontrast von rostrot und sattem Grün, wenn sich eine Lehmstraße durch die Landschaft schlängelt. Mir fällt auf, dass ich der einzige Muzungu im Bus bin. Das Land wird zunehmend flacher und erstreckt sich um Tororo und Mbale in einer endlos scheinenden Ebene, die hier und dort von vulkanischen Hügeln unterbrochen ist, die wie Pilze in der Landschaft stehen.
 
Mbale ist eine der größeren Städte im Land und liegt am Rande eines Ausläufers des Mount Elgon. Von hier aus werde ich ein Taxi nehmen um nach Budadiri zu gelangen, dem Ausgangspunkt für meine Wanderung. Bei dem Taxi handelt es sich diesmal noch nicht einmal um einen der Toyota-Kleinbusse und es wir statt Huhn ein riesiger, bemitleidenswerter Truthahn mitgenommen, auf dem beim Ein- und Aussteigen unweigerlich alle Leute herumtreten. Die Straße ist schlecht, staubig und die 40 minütige Fahrt der reine Horror. Da hatte ich mich wohl zu früh gefreut. Im Büro der Ugandan Wildlife Authority bezahle ich die Tour. Ich muss den Eintritt in den Nationalpark und einen Ranger bezahlen. Außerdem miete ich eine Isomatte und ein Zelt, das sich leider als recht schwer herausstellt. Als ich bekanntgebe, dass ich keinen Träger für mein Gepäck möchte werde ich nur zweifelnd angeschaut. Um Geld zu sparen beschließe ich mir einen Tag zu schenken, indem wir am ersten Tag ein Camp überspringen. Das bedeutet zwar einen Aufstieg von 1.700 m auf 3.500 m in einem Rutsch, spart mir aber ca. 100 Dollar. Die Nacht verbringe ich in einer einfachen und günstigen Unterkunft. Budadiri ist ein kleines Dorf wie viele andere. Man bekommt hier das Gefühl tatsächlich im tiefsten, ländlichsten (und ärmsten) Afrika angekommen zu sein.

Eindrücke aus Budadiri, das den meisten Wanderern als Ausgangspunkt für die Besteigung des Mount Elgon dient.
 
Tag 1
Nach kargem Frühstück geht es um 7 Uhr zurück zum Büro der UWA, wo ich den Ranger treffe, der mich die nächsten Tage begleiten Wird. Moses scheint ein sehr netter Typ zu sein. Auch von ihm ernte ich nur ein müdes Lächeln als er erfährt, dass wir ohne Träger losziehen werden. Zumindest für meinen Teil. Moses ist erst gestern von einer Tour zurückgekehrt, entsprechend erschöpft und sein Gepäck wird getragen. Der erste Teil der Tour wird wider Erwarten auf dem Boda bestritten. In halbstündiger Fahrt geht es auf einer Staubpiste bis zum Ausgangspunkt, vorbei an Bananenplantagen und einfachen, runden Lehmhütten. Die Menschen müssen hier sehr arm sein, was mir später von Moses bestätigt wird. Die allermeisten sind Kleinbauern, die Kaffee, Bohnen, Zwiebeln und dergleichen anbauen. Das meiste Geld wird mit Kaffee verdient, aber da der Preis jüngst eingebrochen ist geht es den meisten Familien im Moment in finanzieller Hinsicht recht schlecht.
Bevor es los geht bringen uns die Bodas zum Ausgangspunkt der Wanderung, der noch ca. 10 km von Budadiri entfernt liegt.
Eine Frau mischt Lehn, Stroh und Dung zu einem
Zementersatz, mit dem die Hauswand im Hintergrund
verputzt wird.
 Gleich nachdem wir losgegangen sind meldet Moses erste Zweifel bezüglich des Trägers an. Es scheint lediglich zwei Optionen zu geben: Entweder sein Gepäck selber zu schleppen und im ersten Camp auf 2.900 m die Nacht zu verbringen oder das Camp zu überspringen, dann aber mit Träger. Wird man sehen, denke ich und so ziehen wir los. Das ambitionierte Tagesziel heißt Mude Cave Camp auf 3.500 m+NN. Der Weg („Sasa trail“) verläuft bis zur Grenze des Mount Elgon National Parks durch bewohntes und ackerbaulich intensiv genutztes Gebiet. Kleine und größere Flüsse rauschen an uns vorbei oder wollen überquert werden. Kinder helfen bei der Feldarbeit, laufen uns entgegen als sie uns entdecken, folgen uns für eine Weile. Moses kennt hier jeden und es wird öfters gestoppt um sich kurz auszutauschen. Hier, im Osten Ugandas, wird nicht Luganda sondern Swahili gesprochen. Moses Träger kommt uns entgegen, lediglich ausgerüstet mit Gummistiefeln und einer Machete. Die Menschen, die hier leben und arbeiten, bewegen sich spielend leicht und meist barfuß den Berg hinauf und hinab, während man selbst nach wenigen Minuten im Schweiß badet. Die Luft ist klar und frisch und riecht nach Gemüse. Die Landschaft ist wunderschön und blickt man zurück, so hat man einen weitreichenden Blick auf die flache Ebene, die sich westlich des Vulkans erstreckt. Noch bevor wir den Nationalpark erreichen hat mich Moses überzeugt doch einen Träger für den ersten Tag zu bezahlen. Nach kurzem Kampf zwischen Stolz und Vernunft muss ich schließlich einsehen, dass es gerade am ersten Tag keine gute Idee sein würde sich kaputt zu laufen. Schließlich sollte es am folgenden Tag auf den Gipfel gehen.
Das erste Stück Weg führt vorbei an kleinen Hütten und Feldern.
Wunderschöne Aussichten hält der Aufstieg bereit. Am Fuße des Ausläufers im Hintergrund liegt Mbale.
 
Die Grenze des Nationalparks ist lediglich dadurch auszumachen, dass der Feldbau von Wildwuchs abgelöst wird. Doch immer wieder kommen uns Viehhirten und Männer entgegen, die Bambus und Feuerholz auf den Kopf bergab tragen. Moses erklärt mir, dass es der lokalen Bevölkerung in bestimmtem Maße trotz Nationalpark gestattet ist einige Ressourcen wie eben Feuerholz zu nutzen. Der Anstieg ist nun steil, in praller Morgensonne. Der Schweiß fließt, sammelt sich an der Nasenspitze und tropft in regelmäßigen Abstand zu Boden. Bald erreichen wir die zweite Vegetationsstufe, den Bergwald, der kühlend Schatten spendet. Alte, moosige Bäume, die von Lianen und Flechten bewachsen sind verleihen dem Ganzen eine Art verwunschenen Eindruck. Die Flechte wird übersetzt „Bart des alten Mannes" genannt und dient getrocknet dem Menschen als Fidibus, dem Vogel zum Nestbau. Fremdartige Blumen, Sträucher und Bäume vermitteln einen überdauernden Eindruck. Besonders die Lobelia erinnert mich an Bilder meiner Erdgeschichte- und Paläontologie-Vorlesungen.
Tiefer Urwald mit Bart.
 Am frühen Nachmittag erreichen wir das Sasa River Camp. Die Träger stürmen sofort in die hier errichtete Hütte und entfachen ein Feuer. Zwiebeln, Tomaten und Kartoffeln werden präpariert und zusammen mit Posho auf offenem Feuer gekocht. Die Machete wird hierbei als Allzweckwerkzeug beeindruckend behände eingesetzt. Ich gebe mich mit einem Apfel und ein paar Keksen zufrieden, schlage den angebotenen Tee jedoch nicht aus. Während der Körper abkühlt merkt man wie kalt es hier oben ist. Nach ca. einer Stunde machen wir uns wieder auf den Weg. Der Bergwald geht hier in einen Bambusmischwald über, der auf ca. 3200 m schließlich von einer deutlich kargeren Heidelandschaft abgelöst wird. Hier dominieren Gräser, kleine Sträucher und eine weitere Art Lobelia, die schon mehr an einen Baum erinnert. Nach sieben Stunden erreichen wir das Mude Cave Camp, das Zelt wird aufgebaut und es wird gekocht. Ich kann mich vor einer recht kühlen und unbequemen Nacht noch am Feuer wärmen, während die Ranger und Träger auf einem Handy Dokumentationen über die ugandische Armee und ihren Kampf gegen Joseph Kony’s LRA und in Somalia schauen. Ich lerne, dass Moses 32 Jahre alt ist und seit 7 Jahren als Ranger arbeitet. Wir unterhalten uns auch ein wenig über die traditionellen Beschneidungen, die in dieser Region nach wie vor durchgeführt werden. Zwei Tribes beschneiden die Jungen im Alter von ca. 15 Jahren, ein Tribe beschneidet Mädchen. Letzteres wird aber von der Regierung untersagt und ist offiziell verboten. Der Vater bereitet die Beschneidung vor. Betäubt wird nicht und es ist nach Moses Aussagen äußerst schmerzhaft, sodass immer genügend Alkohol für den Jungen bereitgehalten wird um ihm wenigstens etwas die Sinne zu vernebeln. Desinfiziert wird die Wunde anschließend mit Asche. Durchgeführt wird die Operation von „Chirurgen“, wobei ich nicht herausfinden konnte ob es sich dabei tatsächlich um ausgebildetes medizinisches Fachpersonal handelt. Auch rituell hat die Beschneidung eine große Bedeutung. Der Schwanz eines Colobus-Affen spielt eine gewisse Rolle, mehr erfuhr ich hierüber allerdings nicht.
Auf über 3.000 m lichtet sich der Wald und macht einer Heidelandschaft Platz.
Tag 2
Heute soll es also auf den Wagagi-Gipfel gehen, mit 4321 m +NN der höchste Punkt des Mt. Elgon. Um 6.30 Uhr stehe ich auch, um 7 wollen wir loslaufen, damit wir auf dem Gipfel sind bevor uns die Wolken die Sicht auf das Umland verwehren. Zunächst einmal einen Tee um die durch die Kälte starren Glieder zur Aktion zu motivieren. Sonnencreme nicht vergessen. Gestern sind 3 Kroaten vom Gipfel gekommen, mit krebsroter Haut und Sonnenstich. Wir gehen also los. Oberhalb des Camps geht die Heidelandschaft schnell in Moorland über. Der Pfad ist schmal und ausgetreten. Es hat Frost gegeben, das Wasser in den Pfützen ist noch gefroren. Schweigend gehen wir der aufgehenden Sonne entgegen, der Gipfel ist noch nicht zu sehen, wird von der Jackson Peak, dem zweithöchsten Gipfel verdeckt, hinter der nun mit aller Gewalt die Sonne hervorbricht. Selbst mit Sonnenbrille schmerzen die Augen; halbblind geht es weiter. Man merkt hier deutlich, dass man sich eigentlich erst an die Höhe gewöhnen müsste, da das Atmen nicht leicht fällt. Auf knapp über 4.000 m erreichen wir den Jackson Pool, einen kleinen, flachen See, der durch Regenwasser gespeist wird und in dem sich blauer Himmel und Landschaft spiegeln. Die Jackson Peak ragt nur 150 m über diesen Punkt hinaus und scheint doch in unerreichbarer Höhe. Die Landschaft wird zunehmend karger und steiniger, bunte Flechten in rot, gelb und grün säumen den Weg. Wir umrunden die Jackson Peak, erreichen den Kraterrand und der Wagagi-Gipfel kommt in Sicht. Der erste Blick in die „größte Caldera der Welt“ fällt überraschend unspektakulär aus. Wie die übrige Landschaft ist alles von Gras bewachsen, leicht hügelig, also eher weich als schroff. Zahlreiche Kraterseen verschönern den Anblick und einige Gipfel säumen den Rand der Caldera; irgendwo dazwischen beginnt Kenia.
Die höchste Erhebung im Hintergrund ist die Jackson Peak.
 



Der Jackson Pool auf 4.000 m Höhe.


Der Wagagi-Gipfel aus der Ferne.



Der Blick in die größte Caldera der Welt fällt recht unspektakulär aus.
Dann also das letzte Stück zum Gipfel. Gleichzeitig mit der Höhe nimmt die Schwere der Beine zu und das Herz pumpt, dass es im Kopf nur so rauscht. Leichte Anzeichen von Höhenkrankheit zeigen sich, doch die Kopfschmerzen bleiben zum Glück im durchaus erträglichen Maß. Wir erreichen den Gipfel, auf dem ein bitterkalter Wind weht. Karger Fels auf 4321 m +NN, doch selbst hier ist die Baumgrenze noch nicht erreicht. Der Ausblick ist schön und wir sind gerade noch rechtzeitig angekommen. Erst Wolken greifen wie schaumige Finger über die niedrigeren Gipfel und den Rand der Caldera und drohen alles unter sich zu begraben. Moses heißt mich auf dem Wagagi-Gipfel willkommen, der von Einheimischen auch „Gipfel der Sonne“ genannt wird. Zur Feier des Tages spendiert er eine Mango. Da die klimatischen Verhältnisse leider nicht zum längeren Verweilen einladen machen wir uns nach nur einer Viertelstunde erleichtert auf den Rückweg. Dieser fällt deutlich länger als geschätzt aus und man fragt sich immer wieder, wie man es kurze Zeit zuvor überhaupt hier hoch geschafft hat. Der sich ankündigende Regen macht Druck, mahnt zur Eile. Das nun aufgetaute Moorland ist tatsächlich recht sumpfig, macht die ganze Sache etwas rutschig, aber federt immerhin den raschen Schritt.
Geschafft und erleichtert erreicht man die Spitze. Moses war so nett mir seine Wollmütze zu leihen.
Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig zurück zum Camp, bevor der Regen einsetzt. Es ist erst kurz nach Mittag, sodass man sich den Rest des Tages von den Strapazen erholen kann. Es wird die weitere Route besprochen und beschlossen am Vormittag des folgenden Tages die nahe gelegene Wasserfälle zu besuchen bevor man den Abstieg auf dem Sasa-Trail beginnt. Wir bleiben nicht lange alleine. Zwei weitere Gruppen treffen ein, sodass die Hütte bald voll ist. Ein deutsch-niederländisches Pärchen hat den Trägern ein Weihnachtsgeschenk in Form eines lebenden Hahns gemacht, der auf den Berg hinauf geschleppt und am nächsten Tag geschlachtet und zubereitet wird. Es gibt Tee; Kartoffeln, Matoke und Fleisch werden einfach in die Glut gelegt, mit den Händen gewendet und wieder herausgenommen. Überhaupt scheinen alle recht resistent gegenüber Hitze zu sein, da keiner ein Problem damit hat in die Glut oder die offenen Flammen zu greifen.
Moses und die Träger kochen Tee, den man nach eisigen Temperaturen auf dem Gipfel nötig hat.
 
Tag 3
Nach einer zu langen, unbequemen Nacht lassen Moses und ich uns heute Zeit und starten erst gegen 9 Uhr zu den Dirigana Falls. Im Vergleich zu gestern ein dreistündiger Spaziergang. Das Panorama ist fantastisch. Im Vordergrund die weichen, mit Lobelia bewachsenen Hügel, während sich im Hintergrund, fast im blauen Dunst verschwindend, ein Gebirge aufzutürmen scheint, bei dem es sich jedoch um die letzten Ausläufer des Mount Elgon handelt. Wir erreichen einen schönen Flecken, an dem ein Fluss 6 m in die Tiefe stürzt. Nach der Mittagspause beginnt der Abstieg zum Sasa River Camp, der entspannt beginnt, jedoch schnell erneut in einen Wettlauf gegen den Regen ausartet, den wir dieses mal verlieren. Der Regen macht den Weg durch den Bergwald zu einer einzigen Rutschpartie. Am Wegesrand wächst Artemisia, ein bewährtes Heilkraut zur Behandlung von Malaria. Trotz Verbot gestattet mir Moses ein Ansichtsexemplar mitzunehmen. Vielleicht kann man das in Zukunft ja noch gebrauchen… Nass und dampfend erreichen wir die Hütte. Ich kann mir nach drei Tagen zum ersten die Haare mit dem eiskalten Flusswasser waschen; eine wahre Erlösung. Heute werden Moses und ich unter uns bleiben. Das Feuerholz ist nass und verwandelt die Hütte endgültig in eine Räucherkammer. Aus Gründen des Wetters und der Geselligkeit wird beschlossen, das Zelt nicht noch einmal aufzubauen, sondern die Nacht zu zweit in der Hütte zu verbringen. Moses läuft noch einmal einen Kilometer zurück um einen dicken Baumstamm zur Hütte zu rollen, den wir in der Folge versuchen werden unter Feuer zu setzen. Helfen lässt er sich erst auf den letzten Metern.
Dirigana Fälle.
Es ist erst früher Nachmittag, also genug Zeit um ein wenig kulturellen Austausch zu betreiben. Da Heiligabend ist werden unweigerlich das deutsche und das ugandische Weihnachtsfest miteinander verglichen. Anders als in Deutschland wird der Heiligabend in Uganda nicht gefeiert. Es gibt auch genug zu tun, da es üblich ist, dass man in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurückkehrt (die hier in aller Regel ja relativ groß ausfällt). Natürlich muss hierbei die Frau ihren Mann in sein Heimatdorf begleiten und nicht umgekehrt. Der 24.12 wird also überwiegend mit Schlachten und den weiteren nötigen Vorbereitungen zugebracht. Das eigentliche Weihnachtsfest wird dann am 25.12 gefeiert und zwar so, wie man es bei uns auch kennt. Ich erkläre Moses, dass bei uns die eigentliche Feier am Heiligen Abend stattfindet, während die beiden Weihnachtstage vor allem für jede Menge Kaffee mit Verwandtschaft vorgesehen sind. Mein Heiligabend ist wahrlich kein Vergnügen. Alle Knochen schmerzen, die harte Holzpritsche gibt einem keine Ruhe. Sobald die Flammen kleiner werden machen sich die Mäuse in der Hütte bemerkbar. Moses steht ca. 20 mal während der Nacht auf um Feuerholz nachzulegen, was aufgrund der Nässe jedes Mal zu Rauchentwicklung führt, die einem kaum atmen lässt.
Das Sasa River-Camp wir nach Ankunft erst einmal ausgeräuchert.
 
Tag 4
Entsprechend gerädert beginnen wir am nächsten Tag um 6.30 Uhr den restlichen Abstieg. Der Regen scheint sich glücklicherweise auf den Wald beschränkt zu haben. Der Weg wird nach Verlassen des Waldes so steil, dass ein Abstieg im Regen unmöglich oder zumindest sehr gefährlich gewesen wäre. Wieder geht es also durch die wunderschöne Kulturlandschaft, vorbei an der Nationalparkgrenze, Feldern und auf ihnen arbeitenden Bauern, bei herrlichem Wetter und schönem Ausblick. Die Knie schmerzen und sehen dem Ziel schon freudig entgegen. Schon um 9 Uhr sind wir endlich wieder am Ausgangspunkt unserer Wanderung angelangt und die beiden Bodas bringen uns in wilder Fahrt bergab zum Büro der Wildlife Authority. Ich bedanke mich herzlich bei Moses, der sich rührend um mich gekümmert hat und schenke ihm zu Weihnachten meine kleine Kurbeltaschenlampe, da sie mir für ihn am nützlichsten scheint. Ich verhandele einen Preis mit einem der Bodafahrer, damit er mich zu den Sipifällen bringt, der bekanntesten touristischen Attraktion im Osten Ugandas, von der ich sehr viel Gutes gehört habe. Meine längste und schönste Bodafahrt beginnt. Über Lehm- und Teerstraßen geht es zügig nach Norden, zur rechten immer den Flanken den Mount Elgon folgend. Auf der gut ausgebauten Teerstraße dreht der Fahrer voll auf, sodass sich Adrenalin, Freiheitsgefühl und latente Todesangst die Hand reichen. In den kleinen Kirchen am Wegesrand werden Weihnachtsmessen gefeiert, also getanzt und laut gesungen. Moses erklärte mir, dass hier in der Regel die Weihnachtsmesse kürzer als der gewöhnliche Gottesdienst ausfällt (2 ½ statt 3 Stunden), da alle viel zu tun haben. Nach 30 Minuten biegen wir ab und folgen der Teerstraße Richtung Sipi, die sich nun in Serpentinen wieder eine Bergflanke hochschlängelt, die wunderschöne Aussichten auf das Umland bereithält. Die Prospekte haben nicht gelogen, die Gegend um die Sipifälle (bei denen es sich um eine Kaskade von drei Wasserfällen handelt, der größte von ihnen beeindruckende 100 m hoch) ist wunder-, wunderschön. Der richtige Ort um sich in den nächsten beiden Tagen von den Entbehrungen und Strapazen zu erholen. Am nächsten Tag werde ich das deutsch-niederländische Paar wiedertreffen, die sehr freundlich sind und mir anbieten mich in einem special hire (was man bei uns als Taxi bezeichnen würde) bis nach Jinja mitzunehmen, was mir viel Geld und Zeit spart. An dieser Stelle noch einmal danke dafür!
An den mächtigen Sipi-Fällen stürzt das Wasser fast 100 m unter lautem Getose in die Tiefe.


Der Blick von meinem Zimmer aus...
 

 
War noch etwas? Ach ja, Weihnachten. Viel hat man nicht davon mitbekommen. Die Reden und der Gesang der Kirche wurden stundenlang bis zu meiner Unterkunft getragen. Nach der Messe stellte sich die Unterkunft dann auch als beliebter Treffpunkt zur Feier bei der lokalen Bevölkerung heraus. Die Kinder waren sehr putzig in den besten Klamotten und viel zu großen Schuhen, die in der Regel nicht wirklich zusammen passten. Anders als daheim steht das Leben über Weihnachten aber nicht wirklich still. Viele Läden sind nach wie vor geöffnet und es schien mir als würden die meisten Menschen nach der Kirche ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen.
Ugandischer "Tannenbaum".
In der Rückschau ein wunderbares, kleines Abenteuer in einer spektakulären, wilden und naturbelassenen Landschaft und eine gute Alternative zum ausgefallenen Weihnachtsfest.

Samstag, 14. Dezember 2013

Durch ungewöhnlichen Ansatz ungewöhnlich erfolgreich

Es wird Zeit sich etwas näher mit der Organisation auseinanderzusetzen, der ich die meiste Zeit meines Aufenthaltes in Uganda widme: Fontes Foundation Uganda.

Der Fairness halber sei vorweggeschickt: Ja, das primäre Ziel dieses Eintrages ist es, die großzügige Leserschaft zu motivieren Fontes bei ihrer Arbeit durch eine Spende zu unterstürzen. Für alle, die sich schon immer gesagt haben „Ja, Entwicklungshilfe, klar, dass ist sehr wichtig. Eigentlich sollte man da was machen. Aber woher soll ich wissen, dass das Geld auch wirklich da ankommt wo es benötigt wird und nicht in irgendwelchen Taschen verschwindet oder für den Verwaltungsapparat der NGO ausgegeben wird? “: Das ist eure Chance! Denn niemand anderes als ich höchst selbst werde im Folgenden Informationen über die Projekte aus erster Hand liefern und verbürge mich dafür, dass tatsächlich jeder Cent dort ankommt.

Fontes Foundation Uganda ist aus der Fontes Foundation hervorgegangen, einer kleinen norwegischen NGO, die seit vielen Jahren im Bereich Wasser, sanitäre Anlagen und Hygiene (international als WASH-Sektor bezeichnet) sowie im Bereich Bildung in Afrika tätig ist.  Wenn man so möchte, dann ist Fontes Foundation Uganda der verlängerte Arm der norwegischen Schwester(oder besser Mutter-)organisation, der seit 2007 die Projekte in Uganda von einem eigenem Büro in Kampala aus leitet.
Zu allererst und als wichtiger Unterschied zu den meisten „ausländischen“ NGO‘s: Alles Geld, was an Fontes gespendet wird, wird zu 100 % in Uganda eingesetzt.  Die gesamte Organisation operiert von Uganda aus. Alle Arbeiten, die in Norwegen anfallen, werden auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis verrichtet. Sämtliche Projekte werden vom Büro in Kampala aus gesteuert. Fontes Foundation Uganda hält sich bewusst klein und arbeitet lieber mit weniger, dafür aber hochqualifizierten Mitarbeitern. So wird garantiert, dass möglichst wenig Geld für Verwaltungsaufgaben ausgegeben wird und möglichst viel Geld in die einzelnen Projekte fließt. Das Team in dem ich arbeitet besteht aus lediglich 5 Leuten im Büro (neben mir Lucrezia als Regionalkoordinatorin, Apiyo als Programmkoordinatorin, William als Projektkoordinator, Patrick als Büromanager) und einer Mitarbeiteren im Jugendzentrum. In Letzterem sind inklusive aller Lehrkräfte 11 Menschen beschäftigt. Hinzu kommen zwei Angestellte, die sich um die Wasser- und Stipendienprojekte in Westuganda direkt vor Ort kümmern.

Bildung und Trinkwasser für Dorfbewohner in Westuganda

Ein neuer Wassertank wird installiert. Im Container sind Pumpen und ein Sand- und Aktivkohlefilter untergebracht.

 Die Arbeit der Fontes Foundation in Uganda begann mit einem Trinkwasserprojekt in Katunguru, einem kleinen Dorf im Westen Ugandas, mitten im Queen Elizabeth National Park gelegen. Implementiert wurde das Projekt im Jahr 2004. Heute betreut die Organisation 5 Trinkwasserprojekte plus einige Bildungsprojekte in einigen der Dörfer, allesamt in der gleichen Region. Ein „normales“ Trinkwasserprojekt, also zum Beispiel eine installierte Handpumpe, ist in Subsahara-Afrika im Durchschnitt 3 Jahre in Betrieb, bevor es aus bestimmten Gründen scheitert. Das Fontes-Projekt in Katunguru wird 2014 das zehnte Jahr in Folge sauberes Trinkwasser für die Dorfbewohner bereitstellen und läuft damit mehr als dreimal so lang wie die Durchschnittslaufzeit. Also ein recht beeindruckender Erfolg.
Ziel ist es in einem großen Kraftakt von wenigen Tagen das ganze Dorf zu motivieren bei der Errichtung der Wasserversorgung mitzuhelfen. Somit fühlt sich jeder ein wenig für das Projekt verantwortlich.
Was macht die Projekte so ungewöhnlich erfolgreich? Ein ungewöhnlicher Ansatz, der eine andere Philosophie zugrunde legt, wie sie die meisten Organisationen im WASH-Sektor vertreten (ohne deren Arbeit abwerten zu wollen). In der Regel wird versucht, mit den vorhandenen Mitteln möglichst viele Projekte  zu starten, um möglichst viele Menschen mit Wasser/Toiletten etc. zu versorgen. Klingt zunächst einmal schlüssig und logisch. Seit den 80’ern wird in Uganda und in den meisten anderen Ländern in Ostafrika die „Poilitik“ verfolgt, dass die Projekte selbstständig von der (Dorf-)Gemeinde verwaltet und betrieben werden. Die allermeisten Trinkwasserprojekte zum Bespiel werden durch aus der Gemeinde gewählte „Wasserkomitees“ verwaltet. Dies soll vor allem ein Gefühl der Eigenverantwortung und damit Wertschätzung der Projekte erzeugen. Auch das ist im Grunde ein richtiger Ansatz.
Die Beteiligung der Bevölkerung ist unabdinglich um ein nachhaltiges Projekt auf die Beine zu stellen. Die Wasserprojekte werden von demokratisch gewählten Wasserkomitees verwaltet, die auf freiwilliger Basis arbeiten.
Die Kombination aus beidem erklärt jedoch das frühe Scheitern der meisten Projekte. Das Wasserkomitee ist in der Regel durch die Einnahmen des Verkaufs des Trinkwassers (zu für alle erschwinglichen Preisen) in der Lage für die Kosten der Betreibung und Wartung des Systems vollständig aufzukommen. Da es der Ansatz der meisten Organisationen wie gesagt ist möglichst viele Projekte in möglichst kurzer Zeit zu realisieren, wird nach dem Aufbau des Systems in der Regel das Komitee gegründet und ein initiales Training gegeben, wie das System zu verwalten ist. Danach verschwindet die Organisation von der Bildfläche. Sobald eine größere Reparatur des Systems ansteht, für die teure Fachkräfte und Ersatzteile benötigt werden, reichen die Mittel der Gemeinde nicht aus um die Kosten zu decken. Eine NGO, die finanziell helfen könnte, ist nicht mehr vorhanden und somit scheitert das Projekt, das System ist funktionsuntüchtig und bleibt dies auch. Fontes Foundation hingegen versucht nicht möglichst viele Projekte durchzuführen, sonder wenige, dafür aber gut und vor allem  langfristig betreute. Dadurch ist mehr Geld für einzelne Projekte vorhanden, dass von Anfang an für z.B. finanzielle Hilfe bei größeren Reparaturen zurückgelegt wird. Ist also der kritische Punkt einer teuren Reparatur erreicht, ist Fontes nach wie vor in das Projekt involviert und kann technische und finanzielle Hilfe leisten. Das Projekt scheitert also nicht, dass Wasser fließt weiter. Genauso wichtig ist, dass Fontes einen Fokus auf die nachhaltige Ausbildung und Schulung der Dorfbewohner legt. Hier findet nicht nur initiales, sondern andauerndes Training statt. Auch Fontes Wasserprojekte werden von demokratisch gewählten Wasserkomitees verwaltet. Alle Beteiligten werden regelmäßig in den technischen Belangen und in Finanzverwaltung, Kreditaufnahme und –verwaltung, Buchhaltung, Transparenz etc. geschult.  Darüber hinaus werden jährlich „Wasserseminare“ abgehalten, in denen alle Mitglieder aller Wasserkomitees zusammenkommen um an Schulungen teilzunehmen und sich mit den anderen Dörfern über Probleme und Problemlösung auszutauschen.
Über Jahre werden die beteiligten Dorfbewohner darin geschult das Wassersystem selbst zu verwalten, sodass auf lange Sicht Fontes nicht mehr benötigt wird.
Es wird darauf geachtet, dass möglichst viele Dorfbewohner in die Betreuung der Projekte eingebunden werden und somit in den Dörfern selber Fachkräfte ausgebildet werden. So profitiert nicht nur das Wasserprojekt. Fähigkeiten wie Buchhaltung, Projektmanagement etc. können die Dorfbewohner auch in ihrem Alltag anwenden und ihre Lebensumstände nachhaltig verbessern. So haben einige Dorfbewohner mit Hilfe ihrer im Wasserprojekt erworbenen Fähigkeiten zum Beispiel eine Hühnerzuchtfarm eröffnet. Auf lange Sicht profitiert also das ganze Dorf und das steigende Bildungsniveau und wirtschaftliche Verbesserung. In einigen der Dörfer werden gleichzeitig Stipendien an Schüler vergeben um ihnen die Schulausbildung zu finanzieren. Spender gehen eine Patenschaft mit einem Schüler ein und Fontes berichtet nach jedem Schuljahr über die persönliche und schulische Entwicklung der Schüler. Viele dieser Stipendiaten wiederum helfen in ihren Ferien bei der Verwaltung und Betreibung der Wasserprojekte aus, sodass sich hier also ein  Kreislauf schließt. Im letzten Jahr wurde in Katunguru-Rubirizi zusätzlich ein Internetcafe eröffnet, dass die Dorfbewohner und Schüler nutzen können. Auf lange Sicht sollen alle Projekte in die vollkommene Verantwortung der Dorfbewohner gegeben werden, wenn eine weitere Unterstützung durch Fontes nicht mehr nötig ist und die Komitees genug Ressourcen aufgebaut haben, für alle Kosten selber aufzukommen und das erlangte Wissen weiterzugeben.

Alles ist also auf lange Sicht geplant und zielt auf langfristige Effekte ab, die sich nicht gleich in den ersten paar Jahren eines Projektes zeigen und messen lassen. Daher ist es schwierig für dieses Ansatz Spender zu gewinnen. Es ist unglaublich viel einfacher Spenden für die Installation einer neuen Wasserpumpe einzusammeln als für einen langfristigen Plan, der versucht ein ganzes Dorf in alles Bereichen nachhaltig zu entwickeln.

Um die Kommune auf allen Ebenen zu stärken investiert Fontes neben dem Wassersystem, dass die absolute Basis jeder Entwicklung darstellt, darüber hinaus in Bildungsprojekte (was auf lange Sicht wiederum dem Wassersystem zu Gute kommt).
 Bildung und Arbeitsplätze für Jugendliche in Kampala

Uganda ist das jüngste Land der Welt, mit einem Altersdurchschnitt von 15 Jahren und höchsten Geburtenrate der Welt. Obwohl seit Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum zwischen 5 und 10 % verzeichnet wurde wächst der Arbeitsmarkt nicht schnell genug um die vielen jungen Menschen aufzunehmen. Die Folge ist eine Jugendarbeitslosigkeit der unter 25jährigen von 62 %. In einer detaillierten Studie wollte Fontes Foundation herausfinden, wo die Hauptgründe dafür liegen, dass die Jugendlichen keinen Job finden können. Neben der Fähigkeit ihr Wissen in der Praxis anzuwenden fehlt es scheinbar besonders an persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften wie Arbeitsethik, Respekt, Pünktlichkeit etc. Außerdem werden der sichere Umgang mit dem Computer und ein Gespür für’s Geschäft verlagnt. Basierend auf dieser Studie wurde das Konzept des „Potentiam Youth Development Centres“ entwickelt, dass seit 2012 Jugendlichen die Möglichkeit gibt ihr Potenzial zu erkennen und zu nutzen und die Chancen auf dem Arbeitsmarkt wahrzunehmen.

Englischlehrer Emanuel mit einem seiner Kurse in "Basic English Literacy" im Schatten des Jackfruit-Baumes (die riesigen Früchte im Hintergrund).
Schon allein die Lage des Zentrums am Südrand Kampalas wurde nicht zufällig gewählt. Hier leben viele arme Familien mit vielen Problemen. Die meisten Jugendlichen haben (vor allem) finanzielle Probleme und nicht alle beenden die Schule. Englischkenntnisse sind längst keine Selbstverständlichkeit. Um die Jugendlichen mit geringer Schulbildung nicht auszuschließen wird ein 8-wöchiger Englischkurs angeboten. Ebenso vermittelt ein 8-wöchiger Kurs in EDV den grundlegenden Gebrauch von Computern und eine Einführung  in die wichtigsten Office-Programme. Somit wird eine grundlegende Basis geschaffen. Die Kurse werden als Morgen- oder Abendklasse angeboten, weil viele Studenten einer Teilzeitarbeit nachgehen und/oder eine Familie zu versorgen haben. Studierende, die beide Kurzzeitkurse erfolgreich absolviert haben können sich für den 6-monatigen Vollzeitkurs in angewandten Unternehmertum („Advanced Business Skills“) einschreiben. Gleiches gilt für alle, die zumindest eine S4-Abschluss haben, also 4 Jahre auf einer sekundären Schule gewesen sind. Der Kurs ist das Herzstück des Zentrums und wird entsprechend auch als „core course“ bezeichnet.  In den 6 Monaten werden die Studenten in den Fächern EDV für Fortgeschrittene, Business Englisch, Business Skills/Unternehmertum und Persönliche Entwicklung unterrichtet. Ziel ist es, die Jugendlichen mit den nötigen Fähigkeiten auszustatten um nach dem Kurs entweder ihr eigenes Unternehmen zu gründen oder „gute Angestellte“ zu werden.
 
Im Computerlab lernen die Studenten ihr
theoretisches gleich praktisch anzuwenden.
 Besonders der Kurs Persönlichkeitsentwicklung ist unter vergleichbaren Jugendzentren wohl einmalig. Hier wird versucht, die Einstellungen der Jugendlichen positiv zu beeinflussen, ihnen zu helfen ihr eigenes Potential zu entdecken und zu nutzen, ihr Selbstvertrauen zu stärken und sie zu befähigen kritisch zu hinterfragen und „um die Ecke zu denken“. Ich habe einige dieser Klassen besucht und war wirklich beeindruckt von der lebhaften Diskussion unter den Studenten und ihren Ideen. Die Studenten werden mit relevanten (und manchmal bewusst abstrakten) Themen wie Ethik, Etikette und Konfliktbewältigung konfrontiert.  Mindestens einmal im Monat finden Bildungsveranstaltungen statt, in denen motivierende oder aufklärende Vorträge von Gastrednern gehalten werden. Es wird in allen Fächern darauf geachtet, dass das Wissen möglichst praktisch angewandt wird und das der komplexe Stoff anhand von den Studenten aus dem eigenen Alltag bekannten Beispielen erklärt wird. Die Kurzzeitkurse sowie die Teilnahme am core course sind nicht umsonst. Ziel des Kurses ist, dass jeder Student eine Geschäftsidee entwirft, an der sie während des Kurses arbeiten müssen. Die Abschlussprüfungen bestehen aus dem Verfassen und Präsentieren eines Businessplans für ihre Idee, der von einer unabhängigen Fachjury beurteilt wird. Hierzu müssen die Studenten all ihr erlangtes Wissen bündeln und  einsetzen und zum Beispiel mit Excel erstellte Budgets präsentieren und Marktforschung betreiben.  Die Idealvorstellung ist, dass die Studenten nach dem Kurs ihren Businessplan gleich in die Praxis umsetzen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass hierfür in der Regel das nötige Startkapital fehlt. Kredite vom Staat zu erlangen ist äußerst kompliziert und Mikrokredit-Institute verleihen in der Regel nur Geld an schon existierende Unternehmen und/oder solche, die einen gesellschaftlich großen „impact“ erzeugen, z.B. Projekte in Erneuerbaren Energien. Bei den Projekten der Studenten handelt es sich in der Regel aber um alltägliche und bewährte Geschäftsmodelle, die man auf kleiner Basis starten kann, die etwa ein Restaurant, ein Schuhgeschäft oder ein Fotostudio. In der Regel arbeiten die Studenten nach ihrem Abschluss also erst einmal um das nötige Startkapital anzusparen. Aus den Kursen sind schon viele wunderbare „Nebenprojekte“ entstanden, wie zum Bespiel das von Harriet, die im Zentrum eine Zeit lang eine Cafeteria betrieben hat oder Muhammed und Denis, die eine Gemüsefarm aufziehen wollen und zunächst einmal einen Demonstrationsgarten auf dem Grundstück des Zentrums angelegt haben.

Denis und Muhammed wollen in einigen Wochen die erste Gemüserernte an den Mann bringen. Auf lange Sicht soll durch die Gewinne ein Treibhaus gebaut werden um den Ertrag zu steigern.
Die Studenten müssen Kursgebühren entrichten. Dies ist wichtig um sie zur Teilnahme zu motivieren. Die Gebühren sind jedoch überaus erschwinglich und im Vergleich zu den normalen Schulgebühren geradezu traumhaft niedrig.
Außerdem unterhält das Potentiam Youth Centre eine Musik-, Tanz- und Theatergruppe. Hier können die Studenten traditionellen ugandischen Tanz und das Spielen traditioneller Instrumente erlernen. Seit kurzem führt die Gruppe auch selbst geschriebene (und unglaublich unterhaltsame) Theaterstücke auf, die eine aufklärende Wirkung haben sollen und  sich mit Alltagsthemen wie HIV/Aids, Armut oder Korruption befassen. Wer eher an Sport interessiert ist kann Mitglied im Potentiam Football Club werden, der mindestens zweimal die Woche trainiert und regelmäßig gegen andere Manschaften antritt. Hier lernen die Jugendlichen ihre Zeit sinnvoll zu nutzen und entwickeln wichtige Fähigkeiten wie Fairness und Teamgeist. Außerdem dienen sowohl die Fontes Cultural Trouoe als auch der Potentiam Football Club dazu die Jugendlichen der Umgebung mit der Arbeit und den Möglichkeiten des Potentiam Youth Centre vertraut zu machen, da sich viele der Studenten aus den Reihen dieser Gruppe rekrutieren.

Die "Fontes Cultural Troupe" und der "Potentiam Football Club" geben den Studenten (und anderen Jugendlichen der Gemeinde) eine sinnvolle Beschäftigung und helfen ihnen beim Erlernen wichtiger Fertigkeiten wie Koordination, Disziplin, Teamwork etc.
Zu guter Letzt ist das ganze Programm des core courses ein Mentoringprojekt eingebunden. Jedem Student wird zu Anfang ein Mentor zugewiesen, an den sie sich jederzeit und in allen Belangen wenden können. Es handelt sich hierbei in der Regel um erfolgreiche Geschäftsleute. Die Mentoren helfen ihnen auf ihrem Weg zur Persönlichkeitsentwicklung, unterstützen die Studenten bei der Entwicklung ihrer Geschäftsidee und helfen außerdem durhc ihre persönlichen Kontakte mit „Vitamin B“ aus.

Auch für dieses Projekt gilt wiederum der Langzeiteinsatz um den Erfolg zu sichern. Die Studenten werden nach 6 Monaten nicht einfach entlassen, sondern werden die nächsten 1 ½ Jahre weiterhin betreut. Die Mentoren stehen ihnen nach wie vor beratend zur Seite. Alle 6 Monate wird eine Umfrage unter der Absolventen erhoben um zu schauen ob und wo sie arbeiten und wie sich ihre Lebensumstände durch das Potentiam-Programm verbessert haben. Auch für dieses Projekt gilt wiederum: Es ist bisher überaus erfolgreich. Seit der Eröffnung 2012 haben insgesamt fast 150 Studierende einen Kurs absolviert, davon 19 Studenten den core course. Der dritte core course und der 8. Kurzzeitkurs in Englisch und EDV startet im Januar. 8 von 9 Studenten des ersten core courses gehen 6 Monate nach ihrem Abschluss einer Beschäftigung nach. Im Schnitt haben sie weniger als einen Monat gebraucht um eine Anstellung zu finden und die Hälfte konnte ihr Gehalt (im Vergleich zu vor dem Kurs, mitunter deutlich) steigern.


Auf dieser Seite, die extra für unsere große Weihnachtsspendenkampagne aufgesetzt wurde finden sich weitere ausführliche Informationen zum Potentiam Youth Centre (leider nur in Englisch).
 

Mein persönliches Fazit lautet also: Hier werden äußerst erfolgreiche Entwicklungsprojekte betrieben, die eine nachhaltigen Mehrwert erzeugen (ich weiß, dass niemand mehr „nachhaltig hören mag, trotzdem trifft es in diesem Fall absolut zu). Durch einen Ansatz, der sich vom Standard unterscheidet werden auch Ergebnisse jenseits des Standards erzeugt. Ich habe natürlich nur den Einblick in die Arbeit dieser Organisation, aber ich kann versprechen: Wer sich entscheidet Fontes Foundation Ugdana zu unterstützen kann sicher sein, dass tatsächlich sinnvolle Arbeit mit dem Geld geleistet wird und kein Geld unnötig verschwendet wird. Natürlich ist jede noch so kleine Spende willkommen. Trotzdem möchte ich betonen, dass ein Langzeitansatz auch Langzeitunterstützung benötig. Es hilft Fontes also um ein vielfaches mehr, wenn man die Organisation regelmäßig mit einem kleinen Betrag via Dauerauftrag unterstützt, als wenn man eine einmalige größere Summe spendet.

Wen ich jetzt überzeugt habe, zu Weihnachten in diesem Jahr vielleicht etwas kürzer zu treten und sein Geld in (sinnvolle?) Geschenke lieber in die bitter nötige Verbesserung der Lebensverhältnisse einiger Menschen in Uganda zu investieren, der findet untenstehend die Details zur Spende:

International
Bank:
Cultura Sparebank
Account no.:
1254.05.33553
Holder:
Fontes Foundation
SWIFT-code:
CULTNOK1XXX
 
 
IBAN:
NO45 1254 0533 553
 
 
 
 
Address:
Fontes Foundation
Bernhard Herres vei 3
0376 Oslo
Norway

 Sollten noch Fragen offen sein, zögert bitte nicht mir eine Email oder einen Kommentar auf diesem Blog zu schreiben.


Als nächstes der Froschregen

So, nach diesem wohlbedachten Angriff auf des Lesers Geldbeutel noch ein kleines Schmankerl aus Kampala für alle diejenigen, die tapfer bis zu Ende gelesen haben.
Es ist Saison in Uganda. Es ist Heuschreckensaison! Wie in unseren Landen die Spagel-, Erdbeer- und Grünkohlsaison ausgerufen und von Feinschmeckern bis ins Letzte ausgekostet wird, so ist in Uganda zweimal im Jahr Heuschreckensaison. Alles findet vor ein paar Wochen an, als ich in einer Nebenstraße nach Sonnenuntergang grelle, große Strahler entdeckte, die von Generatoren betrieben wurden. Ich hatte mir zunächst nicht dabei gedacht und fleißige Bauarbeiter vermutet. Einige Tage später waren wir jedoch auf dem Weg zu einer Party, als wie an einem solchen Strahlerfeld (oder wie sie Omar netterweise betitelt „iron cities“, eiserne Städte) vorbeikamen und staunend innehielten. Die Strahler waren um Holzgerüste aufgestellt, an denen lange und schmale, gebogene Wellbleche gelehnt waren, die in leere Ölfässer mündeten. Die durch das am Wellblech reflektierte Licht angezogene Heuschrecke fliegt ungebremst in ebenjenes Wellblech und rutscht  in das Fass, in denen schon hunderte Artgenossen warten. Warum die Heuschrecken die Fässer nicht wieder verlassen weiß ich nicht, wahrscheinlich sind sie zu blöd.



Am Ende des Spektakels werden die Insekten jedenfalls frittiert, gewürzt und zu stolzen Preisen von fliegenden Händlern auf der Straße feilgeboten. Ich kann die Frage des Geschmacks nicht beantworten, da ich beschlossen habe auch bei Heuschrecken keine Ausnahme zu machen und entsprechend auf Verspeisung zu verzichten. Leider sind die Heuschrecken dieser Tage nicht nur nachts in den iron cities zu finden. Je nach Wetterlage sind sie einfach überall! Und sie finden ihren Weg. Ins Bad, in die Dusche, in die Küche, in dein Zimmer. Diese Woche kam ich nach Hause und die gesamte Wand des Nachbarhauses war von Heuschrecken besetzt worden.

In der Nacht tobte ein unglaubliches tropisches Gewitter, das die Wände erzittern ließ. Am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit fühlte man sich unweigerlich an Hitchcocks „Die Vögel“ erinnern,  als man von allen Zäunen, Bäumen und Stromleitungen von den Insekten beobachtet wurde. Für die Vögel muss diese Zeit tatsächlich dem Schlaraffenland gleichen. Die Saison soll noch einige Wochen andauern und das ganze muss sich im nächsten Sommer wohl wiederholen. Ein wahrlich un- und außergewöhnliches Schauspiel, das sich hier dieser Tage bietet. Man muss an das Alte Testament denken und wartet auf den Froschregen.



Vom Rohzustand zum Endprodukt. Die Heuschrecke wird gefangen, getötet (in der Regel werden lediglich Beine und Flügel ausgerissen...), getrocknet, frittiert und gewürzt.
Das war mein letzter Eintrag vor Weihnachten und für dieses Jahr. Ich wünsche allen ein frohes Fest, ein gutes neues Jahr und viel Entschlussfreude wenn es darum geht Fontes Foundation im nächsten Jahr und darüber hinaus zu unterstützen.