Heute darf ich von einem ganz großen Abenteuer berichten:
Ein Wochenendtrip in den Murchison Falls National Park! Der Nationalpark, gelegen
im Nordwesten Ugandas, wird durch den Nil in eine nördliche und eine südliche
Hälfte geteilt. Namensgebend sind die mächtigen Murchison Falls, die jedoch nur
die größten unter mehreren Wasserfällen im Park darstellen. Netterweise ist die
Gegend außerdem mit einem Überangebot an wilden Tieren gesegnet, sodass es sich
um eine der Haupt-Touristenattraktionen in Uganda handelt. Schon im Vorfeld
hatten ich und meine Reisegruppe (ich war mit einigen Mitbewohnern der Muzuri
Flats unterwegs) viel Gutes gehört und gelesen und entsprechend groß waren die
Erwartungen. Was soll ich sagen: Sie wurden bei weitem übertroffen! Vielleicht
macht es Sinn an dieser Stelle der Leserschaft ein paar Fotos als
Appetitanreger zu präsentieren, damit auch niemand vor Spannung vom Stuhl
kippt. Hier nun also ein paar erste Impressionen:
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Survival of the fittest? Während sein Harem das Futter beschaffen muss döst dieser männliche Löwe faul in der Sonne. |
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Ein extrem seltener Anblick: Ein männlicher Gorilla in freier Wildbahn. Gibt's nur in Uganda zu bestaunen! |
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Ein eindrucksvolles Beispiel für die Naturgewalt Wasser: Die mächtigen Murchison Falls. |
Doch halt. Dem kritischen Leser und Betrachter dürfte
aufgefallen sein: Da ist doch was im Busch (ich mag schlechte Wortwitze), da
stinkt doch was gewaltig (bietet sich einfach an), da ist doch irgendetwas
verkehrt! Und die Leserschaft hat natürlich recht: Der Murchison Falls NP ist
nicht das rechte Habitat für einen Gorilla. Die gibt es tatsächlich nur
im äußersten Südwesten des Landes. Somit überführt, hier nun
die Wahrheit: Wir haben das Wochenende NICHT im Nationalpark verbracht. Schon
eine Woche vor geplanter Abreise musste eine Person krankheitsbedingt
ausscheiden. Wir waren froh, dass der Veranstalter mit uns verbliebenen vier Personen den
Trip überhaupt anbieten wollte. Die Nacht vor der geplanten Abreise haben wir im Hostel
des Reiseveranstalters verbracht. Dummerweise bekam in dieser Nacht
eine weitere Mitstreiterin eine Nierenentzündung in Folge derer sie alle 15 min
zur Toilette renne musste (oder einen „short call“ brauchte, wie man hier zu
sagen pflegt). Keine idealen Voraussetzungen also für ein Wochenende, das man
größtenteils im Auto oder im Busch zu verbringen plant. Der Veranstalter hat
die ganze Aktion also am Morgen der Abreise abgeblasen und die Hälfte des
Geldes an uns zurückbezahlt. Wir werden das Abenteuer also auf ein anderes
Wochenende verschieben müssen.
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Der Shoebill Stork. |
Ersatzweise werde ich nun stattdessen von einem kleinen trip
nach Entebbe berichten, welches Ugandas internationalen Flughafen beherbergt
und damit die Schleuse zur Außenwelt darstellt. Wieder war es mein Kollege
Denis, der mich begleitete und mit dem ich einen wunderbar sonnigen Tag in der
(im Vergleich zu Kampala) erfreulich grünen, ruhigen und sauberen Stadt am Lake
Viktoria verbrachte. Entebbe liegt ca. 40 km südlich der Hauptstadt und ist,
aufgrund des Flughafens, auf einer gut ausgebauten Straße in ca. einer Stunde
zu erreichen. Eine Stunde, wenn man als Transportmittel die schon vorgestellten
Taxis nutzt. Es hieß also erneut in schneller Wechselfolge: Hineinquetschen,
losfahren, festhalten, anhalten, hinausquetschen, aus- und einsteigenlassen, hineinquetschen…
Der Tag in Entebbe begann mit einem wenig erwähnenswerten Besuch des Wildlife
Education Centre, das sich als simpler und überteuerter Zoo herausstellte. Als
Randnotiz kann an dieser Stelle bemerkt werden, dass es, wann immer es Eintritt
zu bezahlen gilt, zwei Preiskategorien gibt. Ugander und Ostafrikaner bezahlen
mehr oder weniger erschwingliche Summen, während der Ausländer tiefer in die
Tasche greifen muss (was irgendwie in Ordnung und gerechtfertigt scheint). Zu
sehen gibt es eigentlich fast alles, was es auch daheim zu bestaunen und zu fotografieren
gibt. Erwähnenswert sind allenfalls die weißen Rhinozeros und auch nur deshalb,
weil sie in Uganda lange Zeit als ausgerottet galten. Vor einigen Jahren wurde jedoch eine Aufzuchtstation im Norden des Landes gegründet, in dem (meines Wissens mit einigem Erfolg) schwarze Nashörner gezüchtet und in den verschiedenen Nationalparks ausgewildert werden. Des Weiteren vielleicht der ulkige und recht seltene "Shoebill Stork", dessen Schnabel an die Form eines Schuhs erinnern soll. Ein Exemplar fristete hier sein bescheidenes Dasein.
Deutlich beeindruckender gestaltete sich unser anschließende Besuch im Botanischen Garten von Entebbe. Ein großen
Areal, direkt am Ufer des Viktoriasees gelegen, auf dem es eine Vielfalt
afrikanischer Gewächse, Affen, Vögel und Termitenhügel zu bestaunen gibt.
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Ein Baum dessen Namen ich vergessen habe. Übersetzt heißt er aber "der König liebt dich". Interessant sind die Wurzeln und die Tatsache, dass aus seiner Rinde ein Stoff hergestellt wird, der noch heute bei zeremoniellen Anlässen im Königreich Buganda getragen wird. |
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Ich mag Bäume... |
Schon
neigte sich der Tag langsam dem Ende zu. Trotzdem entschieden wir uns noch an
einen Strand zu fahren, der sich unter der Mittelschicht Kampalas großer
Beliebtheit erfreut. Anders als der deutsche Tourist wird allerdings nicht in
der Sonne gelegen, sondern auf Plastikstühlen gesessen. Die Einheimischen scheinen
sich über Bilharziose deutlich weniger Gedanken zu machen als der ausländische
Besucher, planschen sie doch zu hunderten unbeschwert im Wasser des Viktoriasees,
dessen Panorama durch seine gigantischen Ausmaße eher an ein Meer als an einen
Binnensee erinnert. Bilharziose ist eine durch kleine Schnecken übertragene
Krankheit. Ich weiß nicht viel darüber, außer dass sich die Schnecken an die
Haut anheften und Würmer in den Körper schleusen, welche wiederum Eier in der
Blase oder der Leber ablegen. Unappetitlich genug also, um die meisten
Reisenden von einem Bad in jedwedem stehenden Gewässer in Ostafrika abzuhalten (auch
wenn es ein paar bilharziosefreie Seen in Uganda geben soll). Es gibt hier
übrigens allerhand Gekreuch, das den menschlichen Körper gerne mit einem Kinderzimmer
verwechselt. Ich werde nicht weiter in‘s Detail gehen und möchte in der Folge stattdessen
von einem weiteren Ausflug innerhalb Kampalas an diesem Wochenende berichten.
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Sommer, Palmen, Sonnenschein am Viktoriasee. Die passende Badekleidung hatte ich vergessen. |
Begleitet von Denis und Emanuel (der als Englischlehrer im
Jugendzentrum arbeitet) erklommen wir am vergangenen Samstag den traditions- und
geschichtsschwangeren „Mengo Hill“, einen der sieben Hügel im Zentrum Kampalas.
Auf dem Mengo Hill wurde der Mengo Palace errichtet, der repräsentative Sitz des
Königs von Buganda. Wie schon berichtet bestand Uganda in der Zeit vor der Missionierung
und Kolonialisierung durch die Engländer aus mehreren Königreichen, darunter
das Buganda Kingdom, welches sich über die Zentralregion Ugandas erstreckte.
Als die Engländer Uganda von Kampala aus unter Beschlag nahmen fanden sie in
den monarchischen Strukturen eine intakte, stabile und gut organisierte
Gesellschaftsordnung vor, die sie zu erhalten suchten. Somit blieb das
Königreich Buganda in der Folge bestehen und seinem König, dem „kabaka“, wurden
viele Rechte eingestanden.
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Denis und Daniel vor dem Mengo Palace. Der kabaka wohnt übrigens in seinem Zweitpalast. Der Mengo Palace wird lediglich an bestimmten Feierlichkeiten als Kulisse benutzt. |
Nach Ugandas Unabhängigkeit 1962 war es der kabaka
Sir Edward Mutesa, der als erster das Präsidentenamt innehatte. Unter ihm
diente Milton Obote als Premierminister, der den König 1966 durch einem
Staatsstreich in das englische Exil fliehen ließ. Der Mengo Hill wurde
militärisch besetzt um auf ihm eine Militärbaracke zu errichten. Stellvertretender
Kommandeur der Streitkräfte war ein gewisser Idi Amin, der vielen ein Begriff
sein dürfte. Obote errichte ein diktaturgleiches Regime, in dem die Opposition
gnadenlos verfolgt und zu Tode gefoltert wurde. Idi Amin wiederum putschte sich
im Jahre 1971 an die Macht. Erneut wurde der Mengo Hill bestürmt und besetzt.
Amin bedient jedes Klischee eines grausamen Diktators. Es wurde also einfach
weiter gefoltert und gemordet, wobei nun auch zunehmend Intellektuelle in das
Visier der Geheimpolizei gerieten (vielleicht eine Neidreaktion des wenig gebildeten Idi Amin). Den Bau einer „Waffenkammer“ ließ sich Amin nach
Auskunft unseres Guides durch die israelische Regierung finanzieren. Nach acht
Monaten wurde die tunnelartige Konstruktion jedoch in ein Gefängnis /eine Folterkammer
umgemünzt. Der bedrückende Raum füllte sich bei Starkregen bis zu 40 cm mit
Wasser, das kurzerhand unter Strom gesetzt und als Folter- und Hinrichtungsinstrument
angewandt wurde. Die Tatsache, dass der Tunnel auf dem grün wuchernden, nicht
mit fantastischen Aussichten auf die Stadt geizenden Mengo Hill errichtet wurde
macht den Anblick so perfide wie surreal. Alles in allem also kein
Ort an dem man gern lange verweilt.
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Ein Blick die Folterkammer Obotes und Amins. Am grauen Rand an den Wänden lässt sich die Wassermarke ableiten. Waren die Zellen zu voll wurden einige Insassen in das unter Strom stehende Wasser geworfen. An den Wänden finden sich Inschriften von Gefangenen und Angehörigen. Hier sollen durch beide Diktatoren insgesamt ca. 8000 Menschen gefoltert und ermordet worden sein. |
Idi Amin wurde im zweiten Uganda-Tansania-Krieg
gestürzt. In den folgenden „Wahlen“ setzte sich ironischer- und tragischerweise
erneut Milton Obote durch, der das Land bis 1985 regierte, bevor er (wie sollte
es anders sein) erneut durch einen Putsch gestürzt wurde. Seit 1986 ist Yoweri
Musevini der Präsident Ugandas. Seine lange Amtszeit und die damit verbundene Phase
der Stabilität haben massiven Anteil an der relativ erfolgreichen
wirtschaftlichen Entwicklung Ugandas in der jüngsten Vergangenheit. Im Gespräch
mit Einheimischen zeigt sich, dass viele Musevini diese Verdienste zuschreiben
und durchaus hoch anrechnen. Nichtsdestotrotz nehmen in mittlerweile
die Spannungen zu, da Musevini auch in seiner sechsten Amtsperiode keinerlei
Anstalten macht den Platz für einen jüngeren Nachfolger zu räumen. Immerhin ist
er mittlerweile knapp 70 Jahre alt. Gerüchte, dass er seinen Sohn auf eine Übernahme des
Präsidentenamtes nach seinem Ausscheiden vorbereitet und das nach wie vor
ungelöste Problem der massiven Korruption im gesamten öffentlichen Sektor heizen
die Stimmung zusätzlich an.
Ich hoffe dieser kleine Abriss eines Teils der ugandischen
Geschichte war nicht zu ermüdend, aber man kann ja nicht nur einfach schöne
Fotos zeigen sondern sollte nebenher auch versuchen dem geneigten Leser ein
bisschen Kultur und Historie nahezubringen. Ich hoffe ich kann beim nächsten
mal über ein spannendes Wochenende im Murchison Falls National Park berichten und
ein paar atemberaubende Safarifotos präsentieren.
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Der nächste Putsch kommt bestimmt: Emanuel und Daniel sind gewappnet. |
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