Sonntag, 13. Oktober 2013

Sonnige und friedliche Zeiten in Entebbe, dunkle und wechselhafte Geschichte in Kampala.


Heute darf ich von einem ganz großen Abenteuer berichten: Ein Wochenendtrip in den Murchison Falls National Park! Der Nationalpark, gelegen im Nordwesten Ugandas, wird durch den Nil in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt. Namensgebend sind die mächtigen Murchison Falls, die jedoch nur die größten unter mehreren Wasserfällen im Park darstellen. Netterweise ist die Gegend außerdem mit einem Überangebot an wilden Tieren gesegnet, sodass es sich um eine der Haupt-Touristenattraktionen in Uganda handelt. Schon im Vorfeld hatten ich und meine Reisegruppe (ich war mit einigen Mitbewohnern der Muzuri Flats unterwegs) viel Gutes gehört und gelesen und entsprechend groß waren die Erwartungen. Was soll ich sagen: Sie wurden bei weitem übertroffen! Vielleicht macht es Sinn an dieser Stelle der Leserschaft ein paar Fotos als Appetitanreger zu präsentieren, damit auch niemand vor Spannung vom Stuhl kippt. Hier nun also ein paar erste Impressionen:

Survival of the fittest? Während sein Harem das Futter beschaffen muss döst dieser männliche Löwe faul in der Sonne.
 
Ein extrem seltener Anblick: Ein männlicher Gorilla in freier Wildbahn. Gibt's nur in Uganda zu bestaunen!

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Naturgewalt Wasser: Die mächtigen Murchison Falls.
Doch halt. Dem kritischen Leser und Betrachter dürfte aufgefallen sein: Da ist doch was im Busch (ich mag schlechte Wortwitze), da stinkt doch was gewaltig (bietet sich einfach an), da ist doch irgendetwas verkehrt! Und die Leserschaft hat natürlich recht: Der Murchison Falls NP ist nicht das rechte Habitat für einen Gorilla. Die gibt es tatsächlich nur im äußersten Südwesten des Landes. Somit überführt, hier nun die Wahrheit: Wir haben das Wochenende NICHT im Nationalpark verbracht. Schon eine Woche vor geplanter Abreise musste eine Person krankheitsbedingt ausscheiden. Wir waren froh, dass der Veranstalter mit uns verbliebenen vier Personen den Trip überhaupt anbieten wollte. Die Nacht vor der geplanten Abreise haben wir im Hostel des Reiseveranstalters verbracht. Dummerweise bekam in dieser Nacht eine weitere Mitstreiterin eine Nierenentzündung in Folge derer sie alle 15 min zur Toilette renne musste (oder einen „short call“ brauchte, wie man hier zu sagen pflegt). Keine idealen Voraussetzungen also für ein Wochenende, das man größtenteils im Auto oder im Busch zu verbringen plant. Der Veranstalter hat die ganze Aktion also am Morgen der Abreise abgeblasen und die Hälfte des Geldes an uns zurückbezahlt. Wir werden das Abenteuer also auf ein anderes Wochenende verschieben müssen.

Der Shoebill Stork.
 Ersatzweise werde ich nun stattdessen von einem kleinen trip nach Entebbe berichten, welches Ugandas internationalen Flughafen beherbergt und damit die Schleuse zur Außenwelt darstellt. Wieder war es mein Kollege Denis, der mich begleitete und mit dem ich einen wunderbar sonnigen Tag in der (im Vergleich zu Kampala) erfreulich grünen, ruhigen und sauberen Stadt am Lake Viktoria verbrachte. Entebbe liegt ca. 40 km südlich der Hauptstadt und ist, aufgrund des Flughafens, auf einer gut ausgebauten Straße in ca. einer Stunde zu erreichen. Eine Stunde, wenn man als Transportmittel die schon vorgestellten Taxis nutzt. Es hieß also erneut in schneller Wechselfolge: Hineinquetschen, losfahren, festhalten, anhalten, hinausquetschen, aus- und einsteigenlassen, hineinquetschen… Der Tag in Entebbe begann mit einem wenig erwähnenswerten Besuch des Wildlife Education Centre, das sich als simpler und überteuerter Zoo herausstellte. Als Randnotiz kann an dieser Stelle bemerkt werden, dass es, wann immer es Eintritt zu bezahlen gilt, zwei Preiskategorien gibt. Ugander und Ostafrikaner bezahlen mehr oder weniger erschwingliche Summen, während der Ausländer tiefer in die Tasche greifen muss (was irgendwie in Ordnung und gerechtfertigt scheint). Zu sehen gibt es eigentlich fast alles, was es auch daheim zu bestaunen und zu fotografieren gibt. Erwähnenswert sind allenfalls die weißen Rhinozeros und auch nur deshalb, weil sie in Uganda lange Zeit als ausgerottet galten. Vor einigen Jahren wurde jedoch eine Aufzuchtstation im Norden des Landes gegründet, in dem (meines Wissens mit einigem Erfolg) schwarze Nashörner gezüchtet und in den verschiedenen Nationalparks ausgewildert werden. Des Weiteren vielleicht der ulkige und recht seltene "Shoebill Stork", dessen Schnabel an die Form eines Schuhs erinnern soll. Ein Exemplar fristete hier sein bescheidenes Dasein. 
Deutlich beeindruckender gestaltete sich unser anschließende Besuch im Botanischen Garten von Entebbe. Ein großen Areal, direkt am Ufer des Viktoriasees gelegen, auf dem es eine Vielfalt afrikanischer Gewächse, Affen, Vögel und Termitenhügel zu bestaunen gibt.
Ein Baum dessen Namen ich vergessen habe. Übersetzt heißt er aber "der König liebt dich". Interessant sind die Wurzeln und die Tatsache, dass aus seiner Rinde ein Stoff hergestellt wird, der noch heute bei zeremoniellen Anlässen im Königreich Buganda getragen wird.
 


Ich mag Bäume...
Schon neigte sich der Tag langsam dem Ende zu. Trotzdem entschieden wir uns noch an einen Strand zu fahren, der sich unter der Mittelschicht Kampalas großer Beliebtheit erfreut. Anders als der deutsche Tourist wird allerdings nicht in der Sonne gelegen, sondern auf Plastikstühlen gesessen. Die Einheimischen scheinen sich über Bilharziose deutlich weniger Gedanken zu machen als der ausländische Besucher, planschen sie doch zu hunderten unbeschwert im Wasser des Viktoriasees, dessen Panorama durch seine gigantischen Ausmaße eher an ein Meer als an einen Binnensee erinnert. Bilharziose ist eine durch kleine Schnecken übertragene Krankheit. Ich weiß nicht viel darüber, außer dass sich die Schnecken an die Haut anheften und Würmer in den Körper schleusen, welche wiederum Eier in der Blase oder der Leber ablegen. Unappetitlich genug also, um die meisten Reisenden von einem Bad in jedwedem stehenden Gewässer in Ostafrika abzuhalten (auch wenn es ein paar bilharziosefreie Seen in Uganda geben soll). Es gibt hier übrigens allerhand Gekreuch, das den menschlichen Körper gerne mit einem Kinderzimmer verwechselt. Ich werde nicht weiter in‘s Detail gehen und möchte in der Folge stattdessen von einem weiteren Ausflug innerhalb Kampalas an diesem Wochenende berichten.

Sommer, Palmen, Sonnenschein am Viktoriasee. Die passende Badekleidung hatte ich vergessen.
Begleitet von Denis und Emanuel (der als Englischlehrer im Jugendzentrum arbeitet) erklommen wir am vergangenen Samstag den traditions- und geschichtsschwangeren „Mengo Hill“, einen der sieben Hügel im Zentrum Kampalas. Auf dem Mengo Hill wurde der Mengo Palace errichtet, der repräsentative Sitz des Königs von Buganda. Wie schon berichtet bestand Uganda in der Zeit vor der Missionierung und Kolonialisierung durch die Engländer aus mehreren Königreichen, darunter das Buganda Kingdom, welches sich über die Zentralregion Ugandas erstreckte. Als die Engländer Uganda von Kampala aus unter Beschlag nahmen fanden sie in den monarchischen Strukturen eine intakte, stabile und gut organisierte Gesellschaftsordnung vor, die sie zu erhalten suchten. Somit blieb das Königreich Buganda in der Folge bestehen und seinem König, dem „kabaka“, wurden viele Rechte eingestanden.
Denis und Daniel vor dem Mengo Palace. Der kabaka wohnt übrigens in seinem Zweitpalast. Der Mengo Palace wird lediglich an bestimmten Feierlichkeiten als Kulisse benutzt.
Nach Ugandas Unabhängigkeit 1962 war es der kabaka Sir Edward Mutesa, der als erster das Präsidentenamt innehatte. Unter ihm diente Milton Obote als Premierminister, der den König 1966 durch einem Staatsstreich in das englische Exil fliehen ließ. Der Mengo Hill wurde militärisch besetzt um auf ihm eine Militärbaracke zu errichten. Stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte war ein gewisser Idi Amin, der vielen ein Begriff sein dürfte. Obote errichte ein diktaturgleiches Regime, in dem die Opposition gnadenlos verfolgt und zu Tode gefoltert wurde. Idi Amin wiederum putschte sich im Jahre 1971 an die Macht. Erneut wurde der Mengo Hill bestürmt und besetzt. Amin bedient jedes Klischee eines grausamen Diktators. Es wurde also einfach weiter gefoltert und gemordet, wobei nun auch zunehmend Intellektuelle in das Visier der Geheimpolizei gerieten (vielleicht eine Neidreaktion des wenig gebildeten Idi Amin). Den Bau einer „Waffenkammer“ ließ sich Amin nach Auskunft unseres Guides durch die israelische Regierung finanzieren. Nach acht Monaten wurde die tunnelartige Konstruktion jedoch in ein Gefängnis /eine Folterkammer umgemünzt. Der bedrückende Raum füllte sich bei Starkregen bis zu 40 cm mit Wasser, das kurzerhand unter Strom gesetzt und als Folter- und Hinrichtungsinstrument angewandt wurde. Die Tatsache, dass der Tunnel auf dem grün wuchernden, nicht mit fantastischen Aussichten auf die Stadt geizenden Mengo Hill errichtet wurde macht den Anblick so perfide wie surreal. Alles in allem also kein Ort an dem man gern lange verweilt.
Ein Blick die Folterkammer Obotes und Amins. Am grauen Rand an den Wänden lässt sich die Wassermarke ableiten. Waren die Zellen zu voll wurden einige Insassen in das unter Strom stehende Wasser geworfen. An den Wänden finden sich Inschriften von Gefangenen und Angehörigen. Hier sollen durch beide Diktatoren insgesamt ca. 8000 Menschen gefoltert und ermordet worden sein. 
Idi Amin wurde im zweiten Uganda-Tansania-Krieg gestürzt. In den folgenden „Wahlen“ setzte sich ironischer- und tragischerweise erneut Milton Obote durch, der das Land bis 1985 regierte, bevor er (wie sollte es anders sein) erneut durch einen Putsch gestürzt wurde. Seit 1986 ist Yoweri Musevini der Präsident Ugandas. Seine lange Amtszeit und die damit verbundene Phase der Stabilität haben massiven Anteil an der relativ erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung Ugandas in der jüngsten Vergangenheit. Im Gespräch mit Einheimischen zeigt sich, dass viele Musevini diese Verdienste zuschreiben und durchaus hoch anrechnen. Nichtsdestotrotz nehmen in mittlerweile die Spannungen zu, da Musevini auch in seiner sechsten Amtsperiode keinerlei Anstalten macht den Platz für einen jüngeren Nachfolger zu räumen. Immerhin ist er mittlerweile knapp 70 Jahre alt. Gerüchte, dass er seinen Sohn auf eine Übernahme des Präsidentenamtes nach seinem Ausscheiden vorbereitet und das nach wie vor ungelöste Problem der massiven Korruption im gesamten öffentlichen Sektor heizen die Stimmung zusätzlich an.
Ich hoffe dieser kleine Abriss eines Teils der ugandischen Geschichte war nicht zu ermüdend, aber man kann ja nicht nur einfach schöne Fotos zeigen sondern sollte nebenher auch versuchen dem geneigten Leser ein bisschen Kultur und Historie nahezubringen. Ich hoffe ich kann beim nächsten mal über ein spannendes Wochenende im Murchison Falls National Park berichten und ein paar atemberaubende Safarifotos präsentieren.



Der nächste Putsch kommt bestimmt: Emanuel und Daniel sind gewappnet.

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