Dienstag, 22. Oktober 2013

Im ugandischen Obstkorb.

Eine arbeitsreiche Woche geht in’s Land, ein neues Wochenende, ein neuer Einblick in das Leben abseits Kampalas. Die Reise führte mich und meine nun beständigen Begleiter Denis und Emanuel an diesem Samstag in den Kayunga District, in ein kleines Dorf namens Namulanda. Denis macht sich jeden Sonntag auf die anderthalbstündige Fahrt hierher um am Gottesdienst teilzunehmen. Außerdem wohnen viele seiner Verwandten hier und in den umliegenden Dörfern. Als Transportmittel entschieden wir uns erneut für das Taxi. Man kennt das ja mittlerweile: Beine anwinkeln, Zähne leicht auseinander, Zunge einrollen und versuchen die Erschütterungen durch eine lockere Sitzhaltung irgendwie abzufangen. In dieser Situation kommt mir immer in den Sinn, dass das Reiten eines Pferdes wohl ganz ähnlich sein muss (auch wenn mich nun jeder schelten möge, der schon mal auf einem Pferd gesessen hat…). Nach wie vor ist jede Fahrt ein kleines Erlebnis für sich. Neben mir wird erneut ein Huhn transportiert, diesmal in einer Plastiktüte. Nur der Kopf schaut heraus. Manchmal scheint das Tier der Ohnmacht nahe, senkt den Kopf und schließt die Augen. Dann kommt das nächste Schlagloch. Der Fahrer lässt uns in einem in Anbetracht des Zustands der Straße geradezu unverschämtem Tempo durch die Landschaft fliegen. Vorbei an endlosen Plantagen, Sümpfen und durch Dörfer mit unaussprechlichen Namen, die sich alle zum Verwechseln ähnlich sehen. In der Regel findet man hier nichts weiter als ein paar Häuser aus Stein oder Lehm, die bunt angemalt die Straße säumen und für Margarine oder einen der großen Mobilfunkanbieter im Land werben. Daneben einige Restaurants und Pubs, Gemüsestände und kleine Handwerksläden. Unter Letzteren auffallend viele Zimmermänner, die vor allem Särge herzustellen scheinen (durchschnittliche Lebenserwartung ca. 53 Jahre). Auf ausgebreiteten Planen trocknen Kaffeebohnen in der Sonne, die an diesem Tag besonders brutal auf uns nieder scheint. Hier und dort ist Markttag und es werden neben billigen Plastikspielzeugimporten vor allem große Mengen an Kleidung angeboten. Nur kurz tanken und weiter geht die Wahnsinnsfahrt. Wenige hundert Meter vor uns schleppt eine alte Frau zwei 25 L - Kanister voll Wasser über die Straße, als unser Fahrer zum Überhohlmanöver des vorausfahrenden Taxis ansetzt. Zum Glück ist die Frau gut in Form und sie schafft es gerade noch auf die andere Straßenseite. In einem der größeren Dörfer halten wir schließlich an und steigen aus. Der restliche Kilometer nach Namulanda wird zu Fuß bestritten.
Ansicht von Namulanda, ein Dorf wie so viele andere.
Schnell stelle ich fest, dass sich hierher wohl nur wenige Touristen verirren. Ausnahmslos alle starren mich ungläubig an, einige lachen (mich an oder aus??). Wie immer sind die Kinder sind außer Rand und Band und schreien “Hi Muzungu! Bye Muzungu!“. Am Ende des Tages werde ich nicht mehr in der Lage sein zu zählen wie oft ich einer Kinderschar zurückgewunken habe (was jedes mal die größte Heiterkeit hervorruft). In den Gesprächen zwischen Denis, Emanuel und den Dorfbewohner ist gefühlt jedes dritte Wort „Muzungu“. Nach kurzer Zeit erreichen wir das Haus von Denis Tante. Im Vergleich zur Nachbarschaft eher eines der größeren Gebäude, wenn auch immer noch bedeutend kleiner als man es als Mitteleuropäer gewohnt ist. Die Wand ist aus Ziegelstein mit grobem Mörtel gemauert. Das Dach ist ein Wellblech. Als wir später eintreten stelle ich fest, dass die Wände der wenigen Innenräume nicht bis zum Dach hochgemauert wurden, überhaupt fehlt eine Decke. Der Innenraum wird vom Dach abgeschlossen, das einige Löcher aufweist. In einem Nebengebäude befindet sich die „Küche“, will heißen ein Raum in dem das Feuer gemacht wird auf dem das Essen zubereitet wird. Das Haus ist an das Stromnetz angeschlossen. Wasser muss allerdings von der nahe gelegenen Wasserstelle geholt werden. Hierbei handelt es sich um eine simple Handpumpe, die das oberflächennahe Grundwasser zur Oberfläche befördert. Das Wasser muss vor dem Verzehr abgekocht werden, auch wenn Denis berichtet, dass einige Dorfbewohner es im unbehandelten Zustand trinken und behaupten gegen Krankheiten immun zu sein. Nach offiziellen Zahlen stehen über 80 % der Krankheiten im Land in Zusammenhang mit verunreinigtem Wasser. Denis Tante ist nicht zu Hause, sodass wir uns auf den Weg in die Plantagen machen, wo sie einige Parzellen besitzt. Der Kayunga District wird auch als “fruit basket“, also „Obstkorb“ Ugandas bezeichnet. Der Boden ist (wie in großen Teilen Ugandas) besonders fruchtbar. Es werden Matoke, Ananas, Kakao, Kaffee, Papaya, Mango, Maniok und so weiter angebaut und von hier aus nicht nur über ganz Uganda verteilt, sondern auch in die angrenzenden Länder exportiert. Die Landwirtschaft stellt den mit Abstand stärksten Wirtschaftszweig und größten Arbeitgeber in Uganda dar und das Potential ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Im Gespräch mit Denis und Emanuel (beide bezeichnen sich selbst als “agriculturalists“) stellt sich schnelle heraus, dass es sich um den wertvollsten der ungehobenen Schätze Ugandas überhaupt handelt (von den jüngsten Ölfunden im Nordosten des Landes vielleicht abgesehen). Denn wie überall in der Welt besteht auch hier der Trend zur Landflucht. Die Städte, insbesondere Kampala, üben eine magische Anziehungskraft auf die ländliche Bevölkerung aus und versprechen schnelles Geld und eine bessere Zukunft. Dieser Traum erfüllt sich natürlich nur für die allerwenigsten. Die Kapazität des urbanen Arbeitsmarktes ist nicht unerschöpflich. Neben dem unzureichenden Bildungssystem und dem extrem niedrigen Altersdurchschnitt (15 Jahre!) sicherlich einer der wesentlichen Gründe für die unglaublich hohe Jugendarbeitslosigkeit im Land. Die Folge ist, dass die riesigen fruchtbaren Flächen Ugandas zu großen Teilen ungenutzt bleiben. Immerhin, Emanuel und Denis scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und planen beide in ein Stück Land außerhalb Kampalas zu investieren. Während Denis eher der Viehzucht zugeneigt ist (und meines Wissen im Dorf seiner Mutter schon einige Schweine hält), verspricht sich Emanuel durch den Anbau von Kakao den größten Gewinn. Hier bemerke ich erneut, was mir schon in vielen Gesprächen mit jungen Ugandern/innen aufgefallen ist: Jeder hat bei weitem mehr als einen Plan für seine Zukunft und oft wird an deren Verwirklichung parallel gearbeitet. Es ist also durchaus möglich, dass jemand unter der Woche in Kampala Brot verkauft und am Wochenende in ein kleines Dorf fährt um seinen Acker zu bestellen und das Vieh zu füttern (welches unter der Woche von Familienmitgliedern versorgt wird). Überhaupt verläuft der Werdegang der ugandischen Jugend bei weitem nicht so stringent wie in der „alten Welt“. Studium und Arbeit können sich oft abwechseln um das entsprechende Geld für die Ausbildung zu verdienen. Eine akademische Ausbildung ist sehr teuer und Unterstützung von Seiten des Staates nur schwer zu bekommen. Flächendeckende Programme wie Bafög existieren nicht, höchstens die punktuelle Unterstützung einzelner durch eine NGO (wie z.B. Fontes). Naja, zurück zu meinem Ausflug:

Stöcker statt Dreschflegel: Kinder prügeln Erbsen aus ihren Hülsen 
Ich konnte den Anbau aller möglichen tropischen (Feld-)Früchte bestaunen. In der Regel werden mehrere Früchte auf einer Parzelle gleichzeitig angepflanzt um Synergien und den Boden möglichst nachhaltig zu nutzen. So spenden zum Beispiel die Bananenstauden Schatten für die darunter angebauten Bohnen, welche wiederum den Stickstoff der Luft binden und dem Boden zuführen. Der Grad der Mechanisierung ist (zumindest in diesem Teil des Landes) gleich null. Landwirtschaft wird hier in der Regel noch so betrieben wie in Deutschland zur Jugendzeit meiner Großeltern. In den Plantagen sieht man einige Kinder umherlaufen. Emanuel berichtet, dass es selbstverständlich ist das die Kinder der Mutter vor und nach der Schule bei der Feldarbeit zur Hand gehen. Mitten im unübersichtlichen Gewirr aus Plantage, Gestrüpp und Feldweg treffen wir schließlich Denis Tante. Zwar spricht sie kein Wort Englisch, aber sie freut sich trotzdem meine Bekanntschaft zu machen.
Denis Tante gibt nützliche Hinweise für den Anbau von Kakao. Wenn man die Schoten aufbricht, kann man die Kerne lutschen, die einen süß-säuerlichen Geschmack haben und ausgezeichnet schmecken. Nur zerkauen sollte man sie nicht, dann färbt sich der Speichel lila....

Ich habe keine Ahnung warum mir von der
Nachbarin der kleine Racker in die Hand gedrückt wurde.
Zusammen laufen wir zurück zum Haus und werden von Tante Ssebugwawo bestens bekocht. Es gibt eine unglaublich leckere Portion Matoke, die mit einer Art Eintopf mit kleinen, getrockneten Fischen übergossen wird. Nach einem Verdauungsspaziergang durch das Dorf und ein wenig Tratsch mit den Nachbarn (einziges Thema: Was macht der Muzungu hier?) winken wir ein Boda Boda heran um uns auf den Weg zu den Kallagalla Wasserfällen des Nil zu machen. Es folgt eine halbstündige Boda-Fahrt mit vier Personen. Der Fahrer sitzt auf dem Tank. Als wir mit Schwung den nächsten Hügel nehmen wollen geht uns der Sprit aus (was wirklich oft vorkommt). Zum Glück kennt unser Fahrer einige Tricks. Er legt das Boda für einige Momente auf die Seite und saugt anschließend am Einfüllstutzen des Tanks. Der Motor springt wieder an und wir schaffen es bis in das nächste Dorf, in dem es eine Zapfsäule gibt. Der Anblick der Stromschnellen und des kleinen Kallagalla-Wasserfalls entschädigt in jedem Fall für die Strapazen.
Eindrucksvolles Katarakt: Die Kallagalla-Wasserfälle des Nil, nördlich von Jinja.
Eine pittoreske Kulisse: Die Stromschnellen der Wasserfälle. Dem geowissenschaftlichen Auge schmeichelt das schöne Beispiel für Wollsackverwitterung.
Wir verweilen einige Zeit und genießen den Augenblick, bevor wir uns auf den Rückweg begeben. Zu guter Letzt statten wir Denis „Kirche“ noch einen Besuch ab. Es handelt sich um eine wirklich schäbige Hütte, die von der Gemeinde selbst erbaut wurde. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen und es gibt keinen Stromanschluss. Aus dem Dunkeln dringt Musik und Gesang, die Generalprobe für den morgigen Gottesdienst. Alle freuen sich mich zu sehen und drängen mir einen weiteren Besuch an einem Sonntag in naher Zukunft auf. Da Denis bei seiner Tante übernachten wird machen Emanuel und ich uns zu zweit auf den Heimweg. Diesmal auf den Beifahrersitzen, die sich im Vergleich zu allen anderen als äußert komfortabel herausstellen.
Einige Mitglieder der Gemeinde freuen sich auf ein baldiges Wiedersehen...

Sonntag, 13. Oktober 2013

Sonnige und friedliche Zeiten in Entebbe, dunkle und wechselhafte Geschichte in Kampala.


Heute darf ich von einem ganz großen Abenteuer berichten: Ein Wochenendtrip in den Murchison Falls National Park! Der Nationalpark, gelegen im Nordwesten Ugandas, wird durch den Nil in eine nördliche und eine südliche Hälfte geteilt. Namensgebend sind die mächtigen Murchison Falls, die jedoch nur die größten unter mehreren Wasserfällen im Park darstellen. Netterweise ist die Gegend außerdem mit einem Überangebot an wilden Tieren gesegnet, sodass es sich um eine der Haupt-Touristenattraktionen in Uganda handelt. Schon im Vorfeld hatten ich und meine Reisegruppe (ich war mit einigen Mitbewohnern der Muzuri Flats unterwegs) viel Gutes gehört und gelesen und entsprechend groß waren die Erwartungen. Was soll ich sagen: Sie wurden bei weitem übertroffen! Vielleicht macht es Sinn an dieser Stelle der Leserschaft ein paar Fotos als Appetitanreger zu präsentieren, damit auch niemand vor Spannung vom Stuhl kippt. Hier nun also ein paar erste Impressionen:

Survival of the fittest? Während sein Harem das Futter beschaffen muss döst dieser männliche Löwe faul in der Sonne.
 
Ein extrem seltener Anblick: Ein männlicher Gorilla in freier Wildbahn. Gibt's nur in Uganda zu bestaunen!

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Naturgewalt Wasser: Die mächtigen Murchison Falls.
Doch halt. Dem kritischen Leser und Betrachter dürfte aufgefallen sein: Da ist doch was im Busch (ich mag schlechte Wortwitze), da stinkt doch was gewaltig (bietet sich einfach an), da ist doch irgendetwas verkehrt! Und die Leserschaft hat natürlich recht: Der Murchison Falls NP ist nicht das rechte Habitat für einen Gorilla. Die gibt es tatsächlich nur im äußersten Südwesten des Landes. Somit überführt, hier nun die Wahrheit: Wir haben das Wochenende NICHT im Nationalpark verbracht. Schon eine Woche vor geplanter Abreise musste eine Person krankheitsbedingt ausscheiden. Wir waren froh, dass der Veranstalter mit uns verbliebenen vier Personen den Trip überhaupt anbieten wollte. Die Nacht vor der geplanten Abreise haben wir im Hostel des Reiseveranstalters verbracht. Dummerweise bekam in dieser Nacht eine weitere Mitstreiterin eine Nierenentzündung in Folge derer sie alle 15 min zur Toilette renne musste (oder einen „short call“ brauchte, wie man hier zu sagen pflegt). Keine idealen Voraussetzungen also für ein Wochenende, das man größtenteils im Auto oder im Busch zu verbringen plant. Der Veranstalter hat die ganze Aktion also am Morgen der Abreise abgeblasen und die Hälfte des Geldes an uns zurückbezahlt. Wir werden das Abenteuer also auf ein anderes Wochenende verschieben müssen.

Der Shoebill Stork.
 Ersatzweise werde ich nun stattdessen von einem kleinen trip nach Entebbe berichten, welches Ugandas internationalen Flughafen beherbergt und damit die Schleuse zur Außenwelt darstellt. Wieder war es mein Kollege Denis, der mich begleitete und mit dem ich einen wunderbar sonnigen Tag in der (im Vergleich zu Kampala) erfreulich grünen, ruhigen und sauberen Stadt am Lake Viktoria verbrachte. Entebbe liegt ca. 40 km südlich der Hauptstadt und ist, aufgrund des Flughafens, auf einer gut ausgebauten Straße in ca. einer Stunde zu erreichen. Eine Stunde, wenn man als Transportmittel die schon vorgestellten Taxis nutzt. Es hieß also erneut in schneller Wechselfolge: Hineinquetschen, losfahren, festhalten, anhalten, hinausquetschen, aus- und einsteigenlassen, hineinquetschen… Der Tag in Entebbe begann mit einem wenig erwähnenswerten Besuch des Wildlife Education Centre, das sich als simpler und überteuerter Zoo herausstellte. Als Randnotiz kann an dieser Stelle bemerkt werden, dass es, wann immer es Eintritt zu bezahlen gilt, zwei Preiskategorien gibt. Ugander und Ostafrikaner bezahlen mehr oder weniger erschwingliche Summen, während der Ausländer tiefer in die Tasche greifen muss (was irgendwie in Ordnung und gerechtfertigt scheint). Zu sehen gibt es eigentlich fast alles, was es auch daheim zu bestaunen und zu fotografieren gibt. Erwähnenswert sind allenfalls die weißen Rhinozeros und auch nur deshalb, weil sie in Uganda lange Zeit als ausgerottet galten. Vor einigen Jahren wurde jedoch eine Aufzuchtstation im Norden des Landes gegründet, in dem (meines Wissens mit einigem Erfolg) schwarze Nashörner gezüchtet und in den verschiedenen Nationalparks ausgewildert werden. Des Weiteren vielleicht der ulkige und recht seltene "Shoebill Stork", dessen Schnabel an die Form eines Schuhs erinnern soll. Ein Exemplar fristete hier sein bescheidenes Dasein. 
Deutlich beeindruckender gestaltete sich unser anschließende Besuch im Botanischen Garten von Entebbe. Ein großen Areal, direkt am Ufer des Viktoriasees gelegen, auf dem es eine Vielfalt afrikanischer Gewächse, Affen, Vögel und Termitenhügel zu bestaunen gibt.
Ein Baum dessen Namen ich vergessen habe. Übersetzt heißt er aber "der König liebt dich". Interessant sind die Wurzeln und die Tatsache, dass aus seiner Rinde ein Stoff hergestellt wird, der noch heute bei zeremoniellen Anlässen im Königreich Buganda getragen wird.
 


Ich mag Bäume...
Schon neigte sich der Tag langsam dem Ende zu. Trotzdem entschieden wir uns noch an einen Strand zu fahren, der sich unter der Mittelschicht Kampalas großer Beliebtheit erfreut. Anders als der deutsche Tourist wird allerdings nicht in der Sonne gelegen, sondern auf Plastikstühlen gesessen. Die Einheimischen scheinen sich über Bilharziose deutlich weniger Gedanken zu machen als der ausländische Besucher, planschen sie doch zu hunderten unbeschwert im Wasser des Viktoriasees, dessen Panorama durch seine gigantischen Ausmaße eher an ein Meer als an einen Binnensee erinnert. Bilharziose ist eine durch kleine Schnecken übertragene Krankheit. Ich weiß nicht viel darüber, außer dass sich die Schnecken an die Haut anheften und Würmer in den Körper schleusen, welche wiederum Eier in der Blase oder der Leber ablegen. Unappetitlich genug also, um die meisten Reisenden von einem Bad in jedwedem stehenden Gewässer in Ostafrika abzuhalten (auch wenn es ein paar bilharziosefreie Seen in Uganda geben soll). Es gibt hier übrigens allerhand Gekreuch, das den menschlichen Körper gerne mit einem Kinderzimmer verwechselt. Ich werde nicht weiter in‘s Detail gehen und möchte in der Folge stattdessen von einem weiteren Ausflug innerhalb Kampalas an diesem Wochenende berichten.

Sommer, Palmen, Sonnenschein am Viktoriasee. Die passende Badekleidung hatte ich vergessen.
Begleitet von Denis und Emanuel (der als Englischlehrer im Jugendzentrum arbeitet) erklommen wir am vergangenen Samstag den traditions- und geschichtsschwangeren „Mengo Hill“, einen der sieben Hügel im Zentrum Kampalas. Auf dem Mengo Hill wurde der Mengo Palace errichtet, der repräsentative Sitz des Königs von Buganda. Wie schon berichtet bestand Uganda in der Zeit vor der Missionierung und Kolonialisierung durch die Engländer aus mehreren Königreichen, darunter das Buganda Kingdom, welches sich über die Zentralregion Ugandas erstreckte. Als die Engländer Uganda von Kampala aus unter Beschlag nahmen fanden sie in den monarchischen Strukturen eine intakte, stabile und gut organisierte Gesellschaftsordnung vor, die sie zu erhalten suchten. Somit blieb das Königreich Buganda in der Folge bestehen und seinem König, dem „kabaka“, wurden viele Rechte eingestanden.
Denis und Daniel vor dem Mengo Palace. Der kabaka wohnt übrigens in seinem Zweitpalast. Der Mengo Palace wird lediglich an bestimmten Feierlichkeiten als Kulisse benutzt.
Nach Ugandas Unabhängigkeit 1962 war es der kabaka Sir Edward Mutesa, der als erster das Präsidentenamt innehatte. Unter ihm diente Milton Obote als Premierminister, der den König 1966 durch einem Staatsstreich in das englische Exil fliehen ließ. Der Mengo Hill wurde militärisch besetzt um auf ihm eine Militärbaracke zu errichten. Stellvertretender Kommandeur der Streitkräfte war ein gewisser Idi Amin, der vielen ein Begriff sein dürfte. Obote errichte ein diktaturgleiches Regime, in dem die Opposition gnadenlos verfolgt und zu Tode gefoltert wurde. Idi Amin wiederum putschte sich im Jahre 1971 an die Macht. Erneut wurde der Mengo Hill bestürmt und besetzt. Amin bedient jedes Klischee eines grausamen Diktators. Es wurde also einfach weiter gefoltert und gemordet, wobei nun auch zunehmend Intellektuelle in das Visier der Geheimpolizei gerieten (vielleicht eine Neidreaktion des wenig gebildeten Idi Amin). Den Bau einer „Waffenkammer“ ließ sich Amin nach Auskunft unseres Guides durch die israelische Regierung finanzieren. Nach acht Monaten wurde die tunnelartige Konstruktion jedoch in ein Gefängnis /eine Folterkammer umgemünzt. Der bedrückende Raum füllte sich bei Starkregen bis zu 40 cm mit Wasser, das kurzerhand unter Strom gesetzt und als Folter- und Hinrichtungsinstrument angewandt wurde. Die Tatsache, dass der Tunnel auf dem grün wuchernden, nicht mit fantastischen Aussichten auf die Stadt geizenden Mengo Hill errichtet wurde macht den Anblick so perfide wie surreal. Alles in allem also kein Ort an dem man gern lange verweilt.
Ein Blick die Folterkammer Obotes und Amins. Am grauen Rand an den Wänden lässt sich die Wassermarke ableiten. Waren die Zellen zu voll wurden einige Insassen in das unter Strom stehende Wasser geworfen. An den Wänden finden sich Inschriften von Gefangenen und Angehörigen. Hier sollen durch beide Diktatoren insgesamt ca. 8000 Menschen gefoltert und ermordet worden sein. 
Idi Amin wurde im zweiten Uganda-Tansania-Krieg gestürzt. In den folgenden „Wahlen“ setzte sich ironischer- und tragischerweise erneut Milton Obote durch, der das Land bis 1985 regierte, bevor er (wie sollte es anders sein) erneut durch einen Putsch gestürzt wurde. Seit 1986 ist Yoweri Musevini der Präsident Ugandas. Seine lange Amtszeit und die damit verbundene Phase der Stabilität haben massiven Anteil an der relativ erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung Ugandas in der jüngsten Vergangenheit. Im Gespräch mit Einheimischen zeigt sich, dass viele Musevini diese Verdienste zuschreiben und durchaus hoch anrechnen. Nichtsdestotrotz nehmen in mittlerweile die Spannungen zu, da Musevini auch in seiner sechsten Amtsperiode keinerlei Anstalten macht den Platz für einen jüngeren Nachfolger zu räumen. Immerhin ist er mittlerweile knapp 70 Jahre alt. Gerüchte, dass er seinen Sohn auf eine Übernahme des Präsidentenamtes nach seinem Ausscheiden vorbereitet und das nach wie vor ungelöste Problem der massiven Korruption im gesamten öffentlichen Sektor heizen die Stimmung zusätzlich an.
Ich hoffe dieser kleine Abriss eines Teils der ugandischen Geschichte war nicht zu ermüdend, aber man kann ja nicht nur einfach schöne Fotos zeigen sondern sollte nebenher auch versuchen dem geneigten Leser ein bisschen Kultur und Historie nahezubringen. Ich hoffe ich kann beim nächsten mal über ein spannendes Wochenende im Murchison Falls National Park berichten und ein paar atemberaubende Safarifotos präsentieren.



Der nächste Putsch kommt bestimmt: Emanuel und Daniel sind gewappnet.

Dienstag, 1. Oktober 2013

Rumble in the Mabira Jungle und die Wiege des längsten Flusses der Welt


So ging nun also meine erste Arbeitswoche zu Ende. Zuallererst musste typische Praktikantenarbeit verrichtet werden. Alle Belege und Quittung der vergangenen Monate wollten eingescannt und digital abgelegt werden. Dies nahm jedoch zum Glück nur einen von fünf Arbeitstagen in Anspruch. An den folgenden wurde ich in das ein oder andere Computerprogramm eingeführt, welche Fontes für ihre Arbeit benutzt und ich konnte zum ersten mal ein paar Tage im Potentiam Youth Centre verbringen. Letztgenanntes möchte ich nun kurz vorstellen:

Die ugandische Bevölkerung zählt zu den jüngsten auf der ganzen Welt. 78 % der Menschen sind unter 30 Jahre alt. Gleichzeitig sieht sich Uganda mit dem Problem einer extrem hohen Jugendarbeitslosigkeit konfrontiert. Diese führt wiederum oftmals zur Resignation und Gleichgültigkeit gegenüber offiziellen Institutionen und der Politik. Die Teilnahme der ugandischen Jugend an der politischen Gestaltung des Landes ist also eher gering. Um die genauen Gründe der hohen Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen offenzulegen, hat die Fontes Foundation im Jahr 2011 eine größere Studie durchgeführt. Mit dem überraschenden Ergebnis, dass zum einen die Jugendlichen durch das ugandische Bildungssystem nicht ausreichend auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden (dies ist weniger überraschend). Es fehlt vor allem die Vermittlung praktischen Wissens und hierbei wiederum vor allem an der Vermittlung unternehmerischer Grundkenntnisse. Zum anderen aber scheint es an persönlichen Merkmalen wie Motivation, der richtigen Einstellung zur Arbeit und profan erscheinenden Dingen wie Pünktlichkeit, Genauigkeit und Ehrlichkeit zu hapern. Aufbauend auf den Ergebnissen der Studie wurde durch Fontes ein Konzept für ein Jugendzentrum entwickelt, dass genau diese fehlenden Kenntnisse vermitteln und den Jugendlichen eine reelle Chance auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Der Bau des Jugendzentrums – Potentiam Youth Development Centre (PYC) – wurde schon im Frühjahr 2012 abgeschlossen und die Arbeit konnte beginnen. Soviel als kurze Einführung.

Das Potentiam Youth Centre. innovativerweise aus Schiffscontainern errichtet.
Im Vordergrund der Dienstwagen, Baujahr irgend etwas mit 80...
Der English short course findet heute im Schatten statt. 

Musikinstrumente der Dance and Drama
Group werden mit dem Boda-Boda
abtransportiert.
Ein Angebot des PYC stellen die Kurzzeitkurse (short courses) dar. Es werden zweimonatige Kurse in Englisch und simpler EDV angeboten. Wer den short course erfolgreich absolviert hat kann als Student in den Hauptkurs (core course) aufgenommen werden. Wer einen Sekundarabschluss (also Highschool) erworben hat kann auch direkt mit dem Hauptkurs einsteigen. Hierbei handelt es sich um ein Vollzeitstudium mit den Schwerpunkten auf business skills und Persönlichkeitsentwicklung. Jedem Studenten wird ein Mentor zugewiesen, an den er sich in allen Belangen wenden kann. Als Mentoren fungieren erfolgreiche Geschäftsleute und Persönlichkeiten aus der Umgebung. Sie sollen durch ihre Kontakte auch helfen den Jugendliche den Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern. Zum Ende des sechsmonatigen Kurses muss ein Geschäftsplan entwickelt und einem Gremium präsentiert werden, der einen großen Teil der Gesamtnote ausmacht. Ziel ist es, dass möglichst viele Jugendliche nach Abschluss des Kurses ihren Geschäftsplan, nachdem sie genug Startkapital gesammelt haben, Wirklichkeit werden zu lassen. Zusätzliche Angebote wie das Potentiam Football Team und die Tanz- und Theatergruppe sollen den Jugendlichen sinnvolle Freizeitbeschäftigung bieten, die Teamfähigkeit stärken und runden das Programm ab. Mittlerweile sind im Rahmen des PYC schon einige vielversprechende Projektideen entstanden. So nutzen zwei der Studenten den aus den kompostierten Fäkalien der Ecosan-Toiletten (funktionieren ohne Wasser, http://de.wikipedia.org/wiki/Ecosan) zur Düngung eines kleinen Teiles des Grundstücks um hier bald Gemüse anzupflanzen, das schließlich gewinnbringend verkauft werden soll. Wenn genug Geld zusammengekommen ist, kann ein Gewächshaus gebaut und die Fläche vergrößert werden. Eine andere Studentin möchte gerne eine Boutique eröffnen und hat, um das Geld hierzu zusammenzutragen, zunächst einmal eine kleine Cafeteria im Jugendzentrum eröffnet, in dem sie Getränke und Kuchen verkauft. Durch die Arbeit von Fontes wird in den Jugendlichen also der Unternehmergeist geweckt. Die nötigen Fähigkeiten zum Einstieg wie Mitarbeiterführung, Buchhaltung, Kreditverwaltung etc. werden ihnen ebenso mit auf den Weg gegeben wie die nötigen persönlichen Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Motivation, Konfliktbewältigung und so weiter. Wie immer ist die Nachhaltigkeit des Projektes ein wichtiges Thema. Hierzu werden die Studenten nach Absolvierung des Kurses nicht einfach in die Welt entlsassen, sondern weiterhin für 1 ½ Jahre von ihrem Mentor und Fontes betreut, sowie mehrfach ihr Werdegang kontrolliert und entsprechende Beratungen angeboten. Man merkt: ich bin von dem Projekt relativ angetan. Ich freue mich meinen Teil dazu beitragen zu können.

 
Schon mit Rückenschmerzen angereist, erwies sich die Matratze meines Zimmers schnell als einer raschen Genesung nicht zuträglich. Um für ein wenig Entlastung zu sorgen entschied ich mich dazu, meinen Samstagnachmittag im Kabira Country Club zu verbringen, der sich in direkter Nähe zur Wohnung befindet. Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Hotel, Fitnessbude, Schwimmbad, Restaurant usw. Eben ein richtiger Ort für die Muzungus. Entsprechend hoch ist mit 30.000 UGX der Eintrittspreis angesetzt (ca. 10 €), auch wenn man dafür das Angebot den ganzen Tag nutzen kann. Der Sport tat mit auf jeden Fall gut. Ein bisschen unwohl fühlte ich mich am Pool. Rundherum hellhäutige Menschen, die versuchen etwas Farbe zu bekommen, während die wirklich dunkelhäutigen Menschen in Kellneruniformen umherschwirren um ihnen Speisen und Getränke zu reichen.
 

Am Sonntag hatte ich mir meine erste Reise jenseits der Hauptstadt vorgenommen. Netterweise wurde ich dabei von Denis begleitet, der im Youth Centre als management assistant arbeitet. Er hat schon einige Semester Psychologie studiert, bis ihm (wie so vielen jungen, potentiell guten Leuten in Uganda) das Geld ausging. In Uganda muss für die komplette Schulausbildung gezahlt werden und zwar nicht wenig. Gerade die Universitätsausbildung ist unglaublich teuer. Denis will nun also etwas Geld sparen um sein Studium zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen zu können. Ohne ihn wäre der Trip wohl nicht ganz so spannend und aufschlussreich gewesen. Wir hatten uns um 9 Uhr in der Früh am Taxipark verabredet um von dort aus mit einem der Sammeltaxis (hier nur Taxi genannt, in Kenia heißen sie Matatus) zum Mabira Forest aufzubrechen. Der Mabira Forest ist ein zwischen Kampala und Jinja (weiter östlich) gelegenes, ca. 300 km² großes Waldgebiet, in dem sich die natürliche Vegetation an Laubbäumen dieser Breitengrade noch erhalten hat (darunter Gummibäume). Meine erste Taxifahrt in Uganda, mein erster Trip ins Landesinnere. Natürlich ein Erlebnis. Dies gilt schon für die Anfahrt. Schnell stelle ich fest, dass ich eigentlich viel zu groß dafür bin in diesen kleinen Toyota-Kisten in der letzten Reihe zu sitzen. Ich wäre schon allein daran gescheitert das richtige Taxi zu finden, bei dem Chaos, das auf dem Platz herrscht (siehe Bild im vergangenen post).
Zum Glück ist Denis dabei! Das Taxi fährt erst los wenn alle Plätze besetzt, also 12 bis 14 Personen nebst Gepäck verstaut sind. Um der Frau neben mir nicht auf die Füße zu treten muss ich die Beine für die ca. 40 minütige Fahrt ungesund anwinkeln. Zum Glück spüre ich sie nach der Hälfte des Weges nicht mehr. Die Verbindungsstraße Kampala-Jinja zählt zu den meistgenutzten des Landes. Hier rollt alles, was in den Osten des Landes und weiter nach Kenia reisen möchte. Trotzdem ist die Straße in keinem besonders guten Zustand. Schlaglöcher machen ihrem Namen alle Ehre. Außerdem waren die staatlichen Straßenbauer so nett, alle paar Kilometer ein Parcours von Geschwindigkeitsbuckeln verschiedenster Ausführung auf die Straße zu asphaltieren. Es gibt extrem große, die man nur mit Schrittgeschwindigkeit nehmen kann. Viel schlimmer sind aber die vier direkt hintereinander folgenden Asphaltschlangen, die einen bis ins Mark durchrütteln, selbst wenn man sie mit minimaler Geschwindigkeit überfahren würde (was dem Taxifahrer natürlich gar nicht einfällt).Egal, Hauptsache raus aus Kampala! Hat man den Moloch aus rotem Staub und Abgasen erst einmal hinter sich gelassen, stellt man fest: Uganda ist grün. Der Blick schweift weit. Über Bananenplantagen, endlose Zuckerrohr- und Teefelder. Ein schöner Anblick. Leider rasen wir in viel zu schnellem Tempo an dieser Kulisse vorbei. Wenn im Taxi gesprochen wird, dann Luganda, die lokale Sprache in Zentraluganda. Ich verstehe kein Wort und frage mich, wie ich dem Taxifahrer verständlich machen soll, dass ich nicht bis nach Jinja mitgenommen werden, sondern in Najjembe aussteigen möchte. Die Dinge lösen sich wie so oft von selbst. Denis sagt irgendetwas auf Lugada, das Taxi hält in dem kleinen Dorf, wir können aussteigen. Nach kurzer Bodafahrt sind wir am Besucherzentrum des Mabira Forest Reserve angekommen und dürfen Eintritt in den Wald bezahlen (man hätte auch ohne zu bezahlen gehen können, aber dann hätte man keine Karte zur Orientierung erhalten). Ich bin gespannt, erwarte mir Affen und viele Vögel zu sehen. Die Geräuschkulisse erinnert mich an Zoobesuche der frühen Kindheit. Alle Geräusche und Gerüche sind fremdartig und exotisch. Wir drehen also unsere Runden durch den Wald, bestaunen äußert große Bäume und halten nach Affen Ausschau. Nach einer Weile entdecken wir eine angefressene Frucht auf dem Boden, “monkeyfood“! Kurze Zeit später hören wir sie, wenige Augenblicke danach haben wir sie gefunden. Die Affen sind nur schwer zu entdecken. Hat man sie aber ausfindig gemacht, posieren sie gerne für’s Foto, wenn man sie nur mit lustigen Geräuschen irritiert.
Kleiner Daniel vor großem Baum.
Eine Art Schrein einer Naturreligionen,
erbaut aus Blättern und Stöckern mitten im Wald
 
Mein erster geknipster Affe. Biologen zur Artbestimmung
bitte vortreten.
 
 Wenige Meter vor mir kreuzt eine kleine, grüne Schlange unseren Weg. An einer Kreuzung sehen wir ein Gebilde aus Bananenblättern, das an eine Hütte erinnert. Denis erklärt mir, dass es sich hierbei um eine Art Schrein für eine der Naturreligionen in Uganda handelt, an dem die Gläubigen ihre Geister verehren, von denen sie annehmen die Gedanken der Menschen zu beherrschen.

Siehe oben.
 
 
 
Auch das Mittagessen, eingenommen in Najjembe, ist ein Erlebnis. Ich versuche mich an Matoke, einem klassischen ugandischen Gericht, das aus Kochbananen zubereitet wird und von Aussehen und Konsistenz her an Kartoffelpuffer erinnert. Geschmack ist nicht vorhanden. Zum Glück habe ich Bohnen dazu bestellt, die ich untermischen kann. Wie bei den meisten hiesigen Gerichten geht es wohl weniger darum den Gaumen zu erfreuen als vielmehr möglichst viele Bäuche möglichst nachhaltig zu füllen. Immerhin, das ist geglückt. Ich bin pappsatt. Zum wirklichen Erlebnis wird das Mittagsmahl jedoch erst durch die Kulisse. Wir sitzen etwas erhöht auf einer Veranda an der Straße, entlang derer kleine Hütten errichtet wurden, in denen vorwiegend Fleisch am Spieß gegrillt wird. Vor den Hütten hat sich eine Heerschar von Verkäufern im blauen Jäckchen versammelt (wenn ich schätzen müsste, würde ich auf ca. 100 Personen tippen). Ich frage ich mich noch was so viele Verkäufer in einem so verschlafenen Nest zu suchen haben, da macht das erste Sammeltaxi Anstalten am Straßenrand zu stoppen. Sofort stürzen die Verkäufer auf das Auto zu, rennen neben, vor und hinter ihm her, ungeachtet der nach wie vor vielbefahrenen Straße. Das Taxi ist noch nicht ganz zum Stillstand gekommen, da werden von außen die Fenster aufgerissen und gebratene Hühnchen- und Schweinespieße, Bananen und gekühlte Getränke in das Fahrzeug gestreckt. Die ca. 14 Insassen haben bei 30 Menschen, die das Taxi nun umringen, die freie Auswahl. Kommt das nächste Fahrzeug angefahren, egal ob PKW, LKW, Taxi oder Bus (besonders bei Bussen ist der Jubel groß), rennen wieder alle wie verrückt auf die potentiellen neuen Kunden zu. Es ist wirklich lustig mit anzuschauen.




Verrückte Verkäufer bieten ihre Waren feil
Ugandische Cuisine: Matoke mit Bohnen. Es schmeckt
wie es aussieht...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nach dem Essen steigen auch wir erneut in das Taxi um uns auf den Weg nach Jinja zu machen. Wir haben Glück und gleich das nächste Vehikel hat noch zwei Plätze für uns frei. Die Frau in der Reihe vor mir hat ein lebendes Huhn auf dem Schoß, dessen Beine zusammengebunden sind. Das Tier ist ruhig und bewegt sich nicht. Entweder ist es paralysiert oder hat den sinnlosen Kampf schon einige Kilometer weiter westlich aufgegeben. Nach weiteren 20 km erreichen wir den Owen Falls Dam, einen großen Staudamm, der den dem Victoria Lake (drittgrößter See der Welt) entspringenden weißen Nil (längster Fluss der Welt) aufstaut um Strom zu erzeugen. Wir halten, müssen umsteigen, Geld wechselt seinen Besitzer. Ich habe längst den Überblick verloren. Unser neues Taxi, das uns die restliche Strecke in das Stadtzentrum Jinjas bringen soll, ist alt und in keinem guten Zustand. Es muss jüngst stark geregnet haben, denn Bäche rot-braunen Wassers kommen uns auf der ansteigenden Straße entgegen. Unser Fahrer übersieht ein Schlagloch. Es wird gehalten, der Schaden festgestellt. Vermutlich ein Stoßdämpfer im Eimer. Also Warnblinker rein und weiter geht die Fahrt. Als mir Denis erklärt, dass wir uns nun im Stadtzentrum Jinjas befinden, bin ich überrascht. Für Ugandas zweitgrößte Stadt sieht das aber so gar nicht nach einem Zentrum aus. Das ganze macht einen eher dörflichen Eindruck. Keine Hochhäuser, keine schicken Hotels und Restaurants. Zunächst machen wir einen Boda-Fahrer ausfindig, der uns auf unsere Besichtigungstour begleiten soll. Am Ende zahlen wir ihm 12.000 UGX für mehrere Stunden Aufenthalt, ein unschlagbar günstiger Preis.

Zunächst möchte mir Denis ein kleines Fischerdorf namens Masese am Ufer des Victoria Lake zeigen. Dort angekommen kann ich mir ein gutes Bild vom Alltagsleben der Ugander fern der Hauptstadt machen und den Blick über den gigantischen See schweifen lassen. Als Muzungu bin ich wieder einmal die Hauptattraktion mit meinem tollen Rucksack und der teuren Kamera. Letztere zieht besonders die Kinder des Dorfes an, die unbedingt fotografiert werden wollen um sich dann selbst in der Kamera anschauen zu können.

Nein, ich werde keines davon mitbringen.
Als besonderes Highlight ist der anschließende Besuch der Quelle des River Nile zu erwähnen. Für mich, als Freund des Wassers, natürlich ein wunderbares Gefühl an dem Ort zu stehen, von dem aus das Wasser über 6.000 km weit durch die Wüste in das Mittelmeer fließt. Demütig schaut man flussabwärts und genießt den schönen Anblick.

Blick von der Quelle des Weißen Nil flussabwärts.

Denis vor der Nilquelle. Auf der Insel im Hintergrund soll sich dann tatsächlich der Punkt befinden, an dem der Nil offiziell entspringt. Ich denke aber, dies ist mehr eine Touristenfalle, denn die Überfahrt kostet eine Menge Schilling.
Der Rückweg wird im deutlich geräumigeren Bus bestritten. Auch wenn hier, nachdem die Sitzreihen belegt sind, noch ein Extrasitz in den Gang gelappt und besetzt wird können meine Beine entspannen. Doch schnell muss ich feststellen, dass diesmal mein Hinterteil schwere Zeiten zu durchstehen hat. Mein Sitz ist kaum gepolstert und jedes Schlagloch macht sich deutlich bemerkbar. Einen halbgebratenen Maiskolben in der Hand verlassen wir Jinja in Richtung Kampala und sind mit dem touristischen Tagespensum recht zufrieden. An einer Tankstelle fällt auf, dass neben Benzin und Diesel auch Kerosin angeboten wird. Nach Denis Aussagen wird dieses, aufgrund des geringeren Preises, gerne von der lokalen Bevölkerung getankt.

 Die Rückfahrt sollte letztendlich knappe drei Stunden dauern. Grund war erneut der schreckliche Verkehr der Hauptstadt. In der Zusammenfassung ein sehr abwechslungsreicher, spannender und lehrreicher Tag. Ich bin sehr froh, dass ich von Denis begleitet wurde, der mir einen guten Einblick in die ugandische Kultur geben konnte und seine Qualitäten als Fremdenführer unter Beweis stellte.