To begin with the beginning: Es versteht sich von selbst, dass die Anspannung (man kann es auch Angst vor dem Unbekannten nennen) gleichsam mit dem Näherrücken meiner Abreise stieg. Am Donnerstag vergangener Woche ging ich also relativ angespannt auf meine lange Reise nach Kampala. Der Flug nach Istanbul verlief ohne Zwischenfälle. Schon mein mehrstündiger Aufenthalt dort bot mir einen Vorgeschmack auf das was nun vor mir lag. Ein bunter Mix verschiedenster Kulturen in einem bunten Gewusel am Schwarzen Meer versammelt. Am Gate lernte ich dann zum ersten mal ein Gefühl kennen, was mich ab nun nicht mehr loslassen würde. Das Gefühl ein Exot unter Einheimischen zu sein. Denn natürlich waren es vorwiegend Menschen aus Uganda oder Ruanda, die hier auf ihren Flug nach Hause warteten. Der Anzeigetafel nach zu schließen lautete unser erster Stopp nicht, wie auf meinem Ticket vermerkt, „Entebbe Airport“ und damit meine Zieldestination, sondern „Kigali“, die Hauptstadt Ruandas. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass Turkish Airways von Istanbul aus stets zunächst nach Kigali fliegt und erst dann Entebbe ansteuert. Über den Sinn dieser Flugroutenplanung mögen sich andere Gedanken machen. Somit kam ich deutlich früher als erwartet in den Genuss, den Äquator zu passieren, der nur wenige Km südlich von Entebbe, mitten durch den Viktoria-See, verläuft. Pünktlich mitten in der Nacht landeten wir in Entebbe. Mein Touristenvisum erwarb ich direkt am Flughafen für 50 US$ in bar- ein gängiges Verfahren. Auch wenn das Personal des Immigration Office relativ schlechte Laune hatte. Ich weiß nicht, ob man das für den Job einfach mitbringen muss oder ob es daran lag, dass sie mitten in der Nacht arbeiten müssen. Am Flughafen wurde ich von Pascal abgeholt. Schon durch diesen ersten Kontakt mit einem Ugander wurde ich mit wesentlichen Charakterzügen der Bevölkerung vertraut gemacht. Pascal war sehr relaxed, unkompliziert und freundlich. Ich habe hier bisher niemanden getroffen, der mich nicht herzlich empfangen oder mein Lächeln nicht erwidert hätte. Es scheint, dass alle sich freuen dich kennenzulernen, sofort darauf los reden und aus ihrem Leben erzählen. Des Weiteren scheint hier wirklich jeder eine Visitenkarte zu besitzen, die er dir nach einem kurzen Gespräch in die Hand drückt. Selbst Omar, der nachts das Haus bewacht in dem ich untergebracht bin, ließ es sich nicht nehmen mir seine Visitenkarte auszuhändigen, die er spontan auf einem Stück Papier „entwarf“. Da ich mitten in der Nacht angekommen bin, habe ich auf der ca. 45 minütigen Fahrt (Pascal sagte mir, dass es bei viel Verkehr auch bis zu 3 Stunden dauern kann) leider nicht viel von Stadt und Landschaft sehen können. Trotzdem machte mich mein Fahrer auf die sich in der Dunkelheit versteckenden potentiellen Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Natürlich den Victoria Lake, eine große UN-Base und einen Teil des Flughafens in dem eine Szenen des Films „The last King of Scotland“ gedreht wurde.
Nun bin ich also wirklich hier.
Das Gefühl durch die Straßen Kampalas zu laufen ist nach wie vor nicht wirklich
fassbar. Hier ist tatsächlich alles
anders! Zunächst einmal, wie bereits weiter oben erwähnt: Du bist der Exot! Man
bekommt einfach sehr viel Aufmerksamkeit. Auch wenn in Ugandas Hauptstadt
relativ viele hellhäutige Menschen unterwegs sind, ist es doch noch immer nicht
alltäglich. Man wir also von allen Seiten angeschaut, angerufen und angehupt, in der Regel
von Boda-Boda-Fahrern, die dich zu einem (stets etwas zu hoch angesetzten) Preis von
A nach B bringen wollen. Die Boda-Bodas sind eine feste Institution in Kampala
und stellen an sich schon eine Attraktion dar. Es handelt sich dabei um simple
Motorräder Oder Mopeds, auf deren Socius man Platz nimmt. Und ihrer sind viele, unglaublich
viele!! Boda-Bodas sind allgegenwärtig. Für Boda-Bodas gelten keine
Verkehrsregeln, sie schlängeln sich einfach durch die unglaublich verstopften
Straßen, vorbei an allem und jedem, oft in rasantem Tempo. Sie sind, obwohl
nicht wirklich sicher (man sollte stets einen Helm tragen; keine Sorge ich habe
einen vom Büro bekommen), oft die einzige und eigentlich immer die schnellste
Möglichkeit irgendwo hin zu gelangen. Du gehst einfach zur nächsten Straße,
wirst als "Muzungu" (die ugandische Bezeichnung für alle „Weißen“/ Ausländer)
automatisch angesprochen, tauscht ein paar Standard-Floskeln aus („How are
you?“ „Thank you I’m fine. How are you?“ „I’m fine, thank you.“), legt den
Preis vorher fest und ab geht die
Wahnsinnsfahrt. Es nützt überhaupt nichts eine Adresse zu nennen. In Uganda
gibt es zwar Straßennahmen (keine Hausnummern), aber die Leute haben besseres
zu tun, als sich diese zu merken, obwohl einige Hauptverkehrswege natürlich
geläufig sind. Wenn man an einen bestimmten Ort möchte muss man also mit
"landmarks" wie z.B. Namen von Stadtvierteln, Gebäuden, Tankstellen, Hotels oder
– für uns Mitteleuropäer schwer vorstellbar- Ampeln arbeiten. Ich habe
Stadtpläne gesehen, auf denen alle Ampeln von ganz Kampala eingezeichnet sind und habe sechs gezählt. Sie erfüllen neben der Funktion als urbangeographische
Orientierungspunkte jedoch keine weitere. Selbst an den Ampeln habe ich
Verkehrspolizisten gesehen, die die Aufgabe einer Ampel übernehmen sollten, jedoch auch
kaum mehr als Stafette sind. Von meiner Unterkunft in die Innenstadt bezahlt
man so ca. 2.500 – 3.000 Ugandische Schilling, was umgerechnet ca. 80 Eurocent
entspricht. Es handelt sich bei Boda-Bodas also gleichzeitig auch um ein
relativ preiswertes Fortbewegungsmittel. Insbesondere wenn es dunkel wird
sollte man jedoch auf das Boda-Boda fahren verzichten und ein Taxi oder ein
Special Hire nehmen. Letzteres entspricht einem Taxi in Europa, ersteres meint
einen Kleinbus asiatischer Herstellung in den bis zu 15 Personen gequetscht
werden können.
Über den ugandischen Verkehr im Allgemeinen ist zu sagen: Vergesst
eure gute europäische Verkehrserziehung, denn sie wird euch nichts nützen. Wer
nachgibt wird bestraft, stößt gar auf Unverständins. The bigger your car the
more you are! Der Stärkste hat Vorfahrt (außer die Boda-Bodas, die machen
wirklich was sie wollen). Auf der einen Seite kann man durchaus darüber lachen
und den Kopf schütteln. Auf der anderen Seite muss man aber wirklich aufpassen
und für die anderen mitdenken. Der Verkehr stellt noch vor Malaria die größte
Gefahrenquelle in Uganda dar, die Opferzahlen durch Verkehrsunfälle sind erschreckend. Dies hat
diverse Gründe. Neben der allgemeinen Gesetzlosigkeit auf der Straße vor allem das
fehlende Sicherheitsbewusstsein (kaum ein Boda-Boda-Fahrer trägt einen Helm)
und die weit verbreitete Sitte nach einem ordentlichen Vollrausch in den Wagen
zu steigen und nach Hause zu kurven. Ich bin noch nicht in den Genuss gekommen
in dieser Stadt zu fahren, aber es wird bald wohl soweit sein. Seid aber
unbesorgt, Fontes fährt als NGO natürlich einen großen Jeep, ich
habe also Vorfahrt. Außerdem werde ich am Anfang natürlich nicht alleine losgeschickt. An
den herrschenden Linksverkehr gewöhnt man sich nach Aussagen von Lucy, meiner
Chefin und Regional Coordinator bei Fontes Foundation Uganda, nach nur wenigen
Minuten. Das Gehirn erledigt dies netterweise von selbst. Die Abgase, die die
Fahrzeuge hier produzieren sind von ganz anderem Kaliber als in Deutschland.
Auch aus den modernsten Jeeps steigen schwarze Rauchwolken in die Luft, die
einfach nicht gesund sein können.
Mein ersten „Arbeitstag“ begann aufgrund meiner späten Ankunft erst um
12 Uhr. Es handelt sich bei der Fontes Foundation (einer norwegischen NGO, die
ich in Zukunft nur noch Fontes nennen werde; Homepage der Organisation) um eine sehr kleine Organisation.
So hatte ich neben der erwähnten Lucy (Lucrezia) nur das Vergnügen mit Patrick
(Büro-Management) und William (Programmkoordinator), im Gegensatz zu Lucy
beides Ugander. Das Büro ist im Moment noch in einem Gebäude in Kololo Hill untergebracht,
dem auf einem Hügel gelegenen Viertel wo beinahe alle Botschaften und alle NGO’s
[Nicht-Regierungsorganisation/Non-Governmental/Non-Profit-Organisation] ihren
Standort haben. Das Gebäude liegt direkt neben einer Moschee und da Freitag war
kam ich gleich in den Genuss meines ersten Freitagsgebets, dass man zumindest
akustisch nicht ausblenden kann. In Uganda besitzen ca. 12 % der Einwohner
muslimische Konfession, der Anteil an Christen liegt meines Wissens bei über 80
%, wovon wiederum knapp die Hälfte der römisch-katholischen Kirche angehören,
die übrige Hälfte der anglikanischen Kirche. Nach einem längeren Briefing, in
dem mich Lucy noch einmal auf die wichtigsten Verhaltensregeln hinwies, bestand
meine erste Aufgabe darin mit Leuten aus dem Büro zu Mittag zu essen. Fontes
teilt sich seine Büroräume mit mehreren anderen Firmen, die eine Etage
gemeinsam nutzen. Da ich nur mit einer MasterCard angereist bin und diese bei
so gut wie keiner Bank akzeptiert wird, nutzte ich die Zeit während wir auf das
Essen warteten um einige Automaten auszuprobieren. Direkt beim zweiten Versuch
gab der Automat meine Karte nicht wieder heraus (Loading, Please wait…). Also
wartete ich ca. eine viertel Stunde, bis mir klar wurde, dass ich hier wohl ewig
warten könnte um sie wiederzubekommen. Da sich die Automaten aber in einem
Extraraum neben der Bank befanden, hätte ich um jemanden Bescheid zu geben den
Automaten verlassen müssen. Also war ich hin und hergerissen ob ich nun den
Automaten alleine lassen oder warten solle. Schließlich konnte die Maschine meine Karte jeden Moment
wieder ausspucken und jemand anders sie einstecken. Da ich noch keine lokale
SIM-Karte bekommen hatte konnte ich auch meine Kollegen nicht anrufen. Mir
blieb nichts anderes übrig, als zügigen Schrittes in die eigentliche Bank zum
Personal zu maschieren und meine Lage zu erklären. Zuvor war ein Sicherheitsmann war auf
mich aufmerksam geworden und hatte versprochen das Personal zu informieren. Wie aber
leider in Uganda üblich (das ist nicht wertend gemeint, es ist hier einfach
Realität) hat er dies natürlich nicht getan. Man muss hier einfach an den
Dingen dranbleiben und die Leute mehrfach erinnern. Die Menschen sind
hier aber so unglaublich entspannt, lassen sich von nichts und niemanden
stressen, dass man es ihnen gar nicht über nehmen kann. In der Bank wurde mir
dann gesagt, dass die Angelegenheit wohl den ganzen Tag dauern könne. Mein
verzweifelter Anblick hat dann aber wohl ausgereicht um die Sache über den kurzen
Dienstweg laufen zu lassen. Die Karte wurde von hinten aus dem Automaten geholt
(als ich zu der Maschine zurückkehrte
hatte sie doch tatsächlich meine Karte ausgespuckt, ich war nur eine
Millisekunde zu spät, sodass sie mir durch die Finger wieder entglitt…) und ich
musste meinen Ausweis vorzeigen, von dem die Daten fein säuberlich notiert
wurden. So ist also viel Muzungu-Schweiß geflossen, nur weil ich meine
Kreditkarte an einer mir unbekannten Bank ausprobieren wollte. Hier meine erste
Reiseempfehlung für jeden, der mir nacheifern möchte: Besorgt euch eine
VISA-Karte, es ist so deutlich unkomplizierter!
Rechts: Das Bürogebäude von Fontes, auch Airtel-Building genannt |
Nach dem mittlerweile kalten
Essen stand meine erste Boda-Boda-Fahrt auf dem Programm, da Lucy noch einen
anderen Termin wahrnehmen musste. Es ist ein wunderbar abenteuerliches Gefühl
auf dem Mopped durch diese verrückte und noch unbekannte Stadt zu wetzen.
Wieder im Büro war noch Zeit einige beruhigende Mails in die Heimat zu senden
und schon war mein erster Arbeitstag vorbei. Wirklich ernst wird es für mich
also erst ab Montag.
Was meine Unterkunft betrifft, die Muzuri Kampla Shared Flats (wer
sich ein Bild machen möchte, es gibt eine Facebook-Seite) kann man sich
sicherlich nicht beklagen. Mein Zimmer ist klein, aber ausreichend, denn im
Haupthaus gibt es ein großes Ess- und Wohnzimmer und eine recht gut ausgestattete
Küche. Es handelt sich um eine typische Adresse für Volontäre, Praktikanten und
Austauschstudenten, sodass man sehr schnell viele interessante Leute aus aller
Welt kennenlernt. Es gibt sogar warme Duschen und echte Toiletten, alles nicht
selbstverständlich.
Ein weiteres, sehr auffälliges und gewöhnungsbedürftiges Kuriosum
stellt die allgegenwärtige Präsenz von Waffen (in der Regel Schnellfeuergewehre
und Schrotflinten/Pump-guns) dar. Nicht nur das die Polizei absolut martialisch
und schwer bewaffnet auftritt. Vor jeder Bank, jedem Hotel, vor den besseren
Restaurants, ja selbst vor Supermärkten und in Parkhäusern sitzt mindestens
eine Wache auf einem Stuhl mit der Waffe auf dem Schoß. Ein wirklich sehr
verstörendes Bild, wenn man es zum ersten mal sieht… Eingeprägt hat sich mir
auch das Bild eines ca. 4-jährigen Jungen, der mit seinen Freunden und einer
Machete in der Hand auf einem Erdhaufen spielte.
Natürlich drängt sich die Andersartigkeit auch in der Tier- und
Pflanzenwelt auf. Auf meinem ersten Spaziergang durch Kampala musste ich mich
zunächst daran gewöhnen, dass keine Tauben, sondern mitunter wirklich große
Vögel in den Bäumen sitzen und dich beobachten. Das exotischste Exemplar
erinnerte vom Aussehen her an einen Pelikan und war ein echter Brummer. Die
Stadt an sich ist unglaublich wuselig. Alle scheinen durchgehend irgendeiner
mehr oder weniger sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, putzen den Gehweg, laufen
mit Klemmbrett und Kugelschreiber von Tür zu Tür oder sitzen auf der Straße und
versuchen irgendetwas an den Mann zu bringen. Extreme Armut und großer Reichtum koexistieren an jeder Ecke. Man kommt an einem großen Bankgebäude vorbei, geht um die Ecke und steht schon fast in einem Slum. Auch daran muss man sich gewöhnen, es ist oft kein schöner Anblick
Am Samstag ließ ich mich dann noch dazu breitschlagen mit Dave
(Zimmernachbar und US-Amerikaner) und Charles (Bruder der Besitzerin der Muzuri
Flats, der auch hier wohnt) einen ersten Schritt in das berühmte Nachtleben
Kampalas zu wagen. Laut Dave, der schon ziemlich in Afrika rumgekommen ist,
handelt es sich um das vielfältigste und attraktivste Nachtleben in ganz
Ostafrika. Also suchten wir einen Club ganz in der Nähe der Wohnung auf. Wie
scheinbar in einem Großteil der Bars und Diskotheken fand auch hier die Party
unter freiem Himmel statt, was mir sehr gut gefiel. Hier offenbarte sich mir
ein weiterer frappierender Unterschied zwischen Ugandern und Westeuropäern. Die
Menschen in Uganda haben den Rhythmus im Blut und können einfach verdammt gut
tanzen. Da brauchen wir gar nicht erst anzufangen, es endet ohnehin darin, dass
man großes Gelächter erntet. Gut das ich eher den Tanzmuffeln zuzuordnen bin,
sodass ich wohl kaum Gefahr laufe mich richtig „zum Affen“ zu machen.
Am heutigen Sonntag (an dem trotzdem fast jedes Geschäft geöffnet hat) machte ich einen Ausflug in die Altstadt Kampalas mit dem wohl verrücktesten Platz in Kampala, den Old Taxi Park. Außerdem besuchte ich die Nationale Moschee, auch Gadaffi-Moschee genannt, nach ihrem edlen Spender. Hier lernte ich auch einiges über die Geschichte der Stadt. Ich habe leider keine Zeit hier in's Detail zu gehen und werde später davon berichten.
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Old Town Kampala und The Old Taxi Park. Organisiertes Chaos?! |
Das sollte als ein erster Einblick genügen. Ich kann nicht
versprechen, dass ich regelmäßig und in diesem Umfang aus Uganda berichten
kann, werde aber mein bestes geben um euch auf dem Laufenden zu halten. Ich
lass von mir hören!
Wie schön das du gut angekommen bist!Und ich finde es spitze das du einnen Blog hast. Dieser lässt sich wunderbar lesen. Danke für die tollen Eindrücke!
AntwortenLöschenLiebe Grüße, Birgit
Ich bin´s nochmal :-) Ich bin unheimlich begeistert von einem Blog. Du könntest ein Buch schreiben! Ich fühle mich beim Lesen, als stünde ich neben dir und sehe alles genauso, wie du es siehst! Einfach großartig!
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