Dienstag, 24. September 2013

Des Pudles Kern: Eine libysche Moschee

Wie angekündigt, hier nun weitere Details von meinem Ausflug zur großen National Mosque, eben auch Gadaffi-Mosque genannt. Die Anfahrt mit dem Boda-Boda war mit 7.000 Schillingen (UGX) relativ "teuer". Allerdings wurde ich dafür auch quer durch die Stadt gebracht. Ich wurde in der Nähe des New Taxi Park (der neben dem alten existiert) abgesetzt und musste noch einige wenige Kilometer den Berg hinauf und zwar den Old Kampala Hill. Wie ich bald erfahren sollte handelt es sich hierbei um die Keimzelle Kampalas, doch dazu später etwas mehr. Die Moschee ist schon von Weitem zu sehen, was zum einen an der großzügigen Dimension des Haupthauses, zum anderen und vor allem aber an dem 56 m hohen Minarett liegt, dass den Hügel überragt.
Allgemein lässt sich sagen, dass der Anblick unterschiedlichster Gotteshäuser zum normalen Stadtbild gehört und sich hier keiner an den Rufen des Muezzin, der am Freitag Nachmittag die ganze Stadt überschallt oder sonstigen Glaubensbekundigungen stört. Islam, Christentum, Hinduismus und sogar ein wenig traditionelle Religionen führen hier ein friedliches Miteinander, so wie es sein sollte.
Minarett der National Mosque von dem aus man
seinen Blick weit über die Stadt streifen lassen kann.
Shik Temple, Old Town Kampala

























Ich war davon ausgegangen, dass ich die Moschee natürlich einfach betreten könne, es schien gerade angenehm wenig los zu sein. Schnell wurde ich aber von einer netten Dame zurückgepfiffen, die sich als die Kassiererin vorstellte und auch die Kopftücher für die weiblichen Touristen bereithielt, die diese sich vor Betreten der Moschee anlegen müssen. Anschließend wurde ich Mohammed vorgestellt, der mir und einigen weiteren Leuten (ein älteres Ehepaar, dass im Flugzeug neben mir saß und ihr Sohn)- ohne das ich danach gefragt hätte- eine Führung gab. Zunächst einmal: Schuhe aus! Zu meinem Beschämen muss ich zugeben, dass es sich um meinen erster Besuch in einer Moschee handelte. Es gab also neben einigen bekannten Fakten über den Islam (wie ich feststellen musste erschreckend wenig) sehr viel neues zu lernen. Mohammed wusste mit lustigen Anekdoten zu unterhalten. So zum Beispiel die eines Mannes, der eines Tages in die Moschee kam, als der Prophet Mohammed gerade seine Anhänger belehrte. Der Mann ging schnurrstracks in die nächste Ecke um dort zu urinieren. Mohammeds Anhänger reagierten naturgemäß wütend und wollten den Mann nach draußen bugsieren. Mohammed aber hielt sie zurück und hieß den Mann sein schmutziges Geschäft zu Ende zu bringen. Erst danach machte er den Übeltäter darauf aufmerksam wo er sich hier befinde und welche Regeln man zu befolgen habe. Der Mann war von der Güte des Propheten so sehr beeindruckt, dass er später zum Islam konvertierte. Ich denke der Sinn dieser Geschichte ist offen zur weiteren Interpretation...
Das Hauptgebäude der Moschee, zusammen mit dem großen Vorplatz, scheint zwischen 20.0000 und 30.000 Menschen beherbergen zu können. Zu den Freitagsgebeten sind ca. 3.000 Gläubige anwesend. Es handelt sich also schlicht um eine große Hütte. Interessant war auch Mohammeds Erklärung dafür, dass der Gebetsraum der Frauen (während des Gebetes dürfen sich Frauen und Männer nicht vermischen), der eine Empore in der Moschee darstellt, deutlich kleiner ausfällt als für das andere Geschlecht. Der Grund sei schlicht, dass die Frauen oft profane Entschuldigungen vorschieben würden um das Gebet nicht zu besuchen zu müssen. Hierunter unter anderem die Versorgung der Kinder, eine kranke Tante oder zu viel Hausarbeit. Er gab dann aber doch zu, dass an dem ein oder anderen Punkt wohl etwas dran sei. Den Frauen ist es auch erlaubt, die Gebete zu Hause zu absolvieren, was dann wie ein Moschee-Besuch gezählt wird. Also doch kein Diskriminierungsalarm.
Begonnen wurde der Bau von Diktator Idi Amin, der Uganda von 1971 bis 1979 regierte indem er ein brutales Regime errichtete. Nach seinem gewaltsamen Sturz, ausgelöst durch einen Krieg zwischen Uganda und Tanzania, war kein weiteres Geld für die Fertigstellung der noch längst nicht vollendeten Moschee vorhanden. Ironischerweise war es Herr Gadaffi, der sich bereiterklärte seinen ugandischen Brüdern und Schwestern  die Fertigstellung des Gotteshauses zu finanzieren. Hierzu musste die alte Bausubstanz wieder komplett abgerissen und neu errichtet werden. Die Moschee wurde dann meines Wissens erst in den frühen 2000'er Jahren fertiggestellt.
Den Höhepunkt meines Besuches stellte der Aufstieg auf das Minarett dar, von dem man einen grandiosen Ausblick über Kampala genießt. Zum Glück herrschte klare Sicht. Von diesem Punkt aus gut ersichtlich: Kampala ist, gleichsam wie Rom, auf Hügeln erbaut worden. Mittlerweile werden über 21 Hügel und die Täler dazwischen besiedelt. Traditionell spricht man aber von der Stadt auf sieben Hügeln. Ausgangspunkt der Besiedlung war ebenjener Old Kampala Hill, auf dem ich mich befand. Hier wurde durch die ersten britischen Missionare eine Station errichtet. Auf dem Hügel grasten seinerzeit friedlich die Impalas (gewikipediat) woraus schließlich der Name "Kampala" wurde.
Blick auf das durchaus weitläufige Kampala von dem Ort an dem alles begann.

Hier ließ es sich unser Führer nicht nehmen, noch einige Informationen über die traditionellen Königreiche Ugandas fallen zu lassen. Historisch setzte sich Uganda vor der Kolinialisierung aus zahlreichen Königreichen zusammen. Das mächtigste und einflussreichste dieser Königreiche stellte das Buganda Kingdom dar, das von einem König (kabaka) regiert wurde. Aus "Buganda" machten die Briten schließlich das heutige Wort "Uganda". Das Königreich teilt sich wieder in über 40 verschiedene Stämme auf, von denen jeder ein eigenes heimisches Tier als Wappen besitzt. Es war den Mitgliedern einen Clans nur gestattet Mitglieder anderer Stämme, nicht aber die des eigenen zu heiraten.
Den kabaka gibt es zu repräsentativen Zwecken übrigens auch heute noch, ähnlich unserem Bundespräsidenten, nur dass dieser weniger traditionell und mit weniger Proporz auftritt. Er wohnt in einem großen Palast auf einem der Hügel, den er aus mir entfallenen Gründen nie bewohnt.

Derweil hat meine erste Arbeitswoche begonnen und ich wurde das erste mal (zum Glück in Begleitung) auf die Straße gelassen. Zunächst einmal mit William aus dem Büro quer durch die Stadt. Ohne ihn wäre ich aufgeschmissen gewesen, da ich mich bisher nur leidlich auskenne. Die Stadt ist sehr unübersichtlich und man muss sich, wie bereits erwähnt, an markanten Punkten, nicht an Straßen orientieren. Über den Linksverkehr und die Automatik habe ich tatsächlich nach wenigen Minuten nicht mehr nachgedacht, insbesondere deshalb weil meine volle Konzentration dem Verkehr gelten musste. Wieder sind die Boda-Bodas das größte Risiko, weil sie in jede kleine Lücke schlüpfen, sodass man immer die Spiegel im Auge haben muss. Generell ist es empfehlenswerter an einer Kreuzung die Hupe zu betätigen anstatt die Bremse, weil der Hintermann dies nicht erwartet und auffahren könnte. Nach einem Wendemanöver in der Innenstadt stand plötzlich ein Typ vor dem Auto und wollte sich nicht zur Seite bewegen, sodass die hinter uns Fahrenden zu Hupen begannen (diesmal tatsächlich aus Verärgerung).  Darauf wurde sofort ein Verkehrspolizist auf uns aufmerksam, der uns an den Straßenrand winkte. Die erste Fahrt und gleich negativ aufgefallen! Und das ohne das ich gewusst hätte warum (schließlich hatte der Typ blöd vorm Auto gestanden und gestikuliert). Ich folgte streng den Anweisungen meiner Chefin, blieb erstmal sitzen, stellte mich möglichst dumm und überließ es William, die nun entbrennende Diskussion zu führen. Dabei waren wir doch nur auf der Suche nach einem Parkplatz für unser Riesenauto gewesen. Zum Glück war ich einem weiteren Rat Lucrezias gefolgt und hatte bereits meinen Originalführerschein durch eine Kopie ersetzt, mit der man bei einer Kontrolle auch erst mal über die Runden kommt. Originale werden sehr gerne einbehalten und es muss ein riesen Aufwand betrieben werden um sie wiederzubekommen. Irgendwann bin ich auf Anraten Williams einfach weitergefahren um einen Parkplatz zu suchen. Als ich wieder zu ihm stoß war die Sache längst geklärt.
Auch erwähnenswert ist unser Besuch im Innenministerium Ugandas, wo Fontes seine Lizenz als NGO verlängern muss. Fünf bis sechs Mitarbeiter sitzen in einem Raum, der von oben bis unten auf absurdeste Weise mit Akten zugestellt ist und wühlen sich durch die Formulare. In diesem Fall wird wirklich noch alles in Papierform aufbewahrt. Ein Funken und alle Organisationen müssten dass Land verlassen...
Auf meiner zweiten Fahrstunde wurde ich von Lucrezia begleitet, die ich nach Hause fuhr. Sie wollte mir gleichzeitig den Weg zum Potentiam Youth Development Centre zeigen, in dem ich einen bedeutenden Teil meiner Zeit als Praktikant verbringen werde. Sie wohnt gleich um die Ecke. Ich hoffe ich kann zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal detailliert über das Jugendbildungszentrum in Wort und Schrift berichten.
Zurück ging es auf einem Boda-Boda. Der Fahrer nahm viele Abkürzungen, einmal über einen steilen Pfad, die mitten durch einen Slum verlief. Nur etwas schneller und wir wären von einer Fontäne Schmutzwasser, die aus einer der Hütten geschleudert wurde, getroffen worden. Insgesamt kein schöner Anblick. Tatsächlich nur zusammengezimmerte Wellblechhütten, Kloaken in denen nackte Kinder spielen und viel Müll. Kurz darauf wieder "normale" Wohngegend. Wie gesagt: Arm und reich liegen hier sehr dicht beieinander.

Ich hoffe ich kann beim nächsten mal etwas mehr über meine Arbeit bei Fontes Foundation Uganda und etwas über die Organisation an sich berichten.
Traditionelle afrikanische Tänzerinnen. Es wird ausschließlich der Po bewegt.
Ich Vordergrund: Daniel

Sonntag, 22. September 2013

Allererste Eindrücke

Dies ist mein erster Eintrag in diesen Block, mit dem ich nicht nur versuchen möchte meine Angehörigen und Freunde auf dem Laufenden zu halten, sondern gleichzeitig dem Interessierten Leser einen Einblick in die Kultur und die Lebensweise der Ugander zu geben.

To begin with the beginning: Es versteht sich von selbst, dass die Anspannung (man kann es auch Angst vor dem Unbekannten nennen) gleichsam mit dem Näherrücken meiner Abreise stieg. Am Donnerstag vergangener Woche ging ich also relativ angespannt auf meine lange Reise nach Kampala. Der Flug nach Istanbul verlief ohne Zwischenfälle. Schon mein mehrstündiger Aufenthalt dort bot mir einen Vorgeschmack auf das was nun vor mir lag. Ein bunter Mix verschiedenster Kulturen in einem bunten Gewusel am Schwarzen Meer versammelt. Am Gate lernte ich dann zum ersten mal ein Gefühl kennen, was mich ab nun nicht mehr loslassen würde. Das Gefühl ein Exot unter Einheimischen zu sein. Denn natürlich waren es vorwiegend Menschen aus Uganda oder Ruanda, die hier auf ihren Flug nach Hause warteten. Der Anzeigetafel nach zu schließen lautete unser erster Stopp nicht, wie auf meinem Ticket vermerkt, „Entebbe Airport“ und damit meine Zieldestination, sondern „Kigali“, die Hauptstadt Ruandas. Es stellte sich dann aber schnell heraus, dass Turkish Airways von Istanbul aus stets zunächst nach Kigali fliegt und erst dann Entebbe ansteuert. Über den Sinn dieser Flugroutenplanung mögen sich andere Gedanken machen. Somit kam ich deutlich früher als erwartet in den Genuss, den Äquator zu passieren, der nur wenige Km südlich von Entebbe, mitten durch den Viktoria-See, verläuft. Pünktlich mitten in der Nacht landeten wir in Entebbe. Mein Touristenvisum erwarb ich direkt am Flughafen für 50 US$ in bar- ein gängiges Verfahren. Auch wenn das Personal des Immigration Office relativ schlechte Laune hatte. Ich weiß nicht, ob man das für den Job einfach mitbringen muss oder ob es daran lag, dass sie mitten in der Nacht arbeiten müssen. Am Flughafen wurde ich von Pascal abgeholt. Schon durch diesen ersten Kontakt mit einem Ugander wurde ich mit wesentlichen Charakterzügen der Bevölkerung vertraut gemacht. Pascal war sehr relaxed, unkompliziert und freundlich. Ich habe hier bisher niemanden getroffen, der mich nicht herzlich empfangen oder  mein Lächeln nicht erwidert hätte. Es scheint, dass alle sich freuen dich kennenzulernen, sofort darauf los reden und aus ihrem Leben erzählen. Des Weiteren scheint hier wirklich jeder eine Visitenkarte zu besitzen, die er dir nach einem kurzen Gespräch in die Hand drückt. Selbst Omar, der nachts das Haus bewacht in dem ich untergebracht bin, ließ es sich nicht nehmen mir seine Visitenkarte auszuhändigen, die er spontan auf einem Stück Papier „entwarf“. Da ich mitten in der Nacht angekommen bin, habe ich auf der ca. 45 minütigen Fahrt (Pascal sagte mir, dass es bei viel Verkehr auch bis zu 3 Stunden dauern kann) leider nicht viel von Stadt und Landschaft sehen können. Trotzdem machte mich mein Fahrer auf die sich in der Dunkelheit versteckenden potentiellen Sehenswürdigkeiten aufmerksam. Natürlich den Victoria Lake, eine große UN-Base und einen Teil des Flughafens in dem eine Szenen des Films „The last King of Scotland“ gedreht wurde.

Nun bin ich also wirklich hier. Das Gefühl durch die Straßen Kampalas zu laufen ist nach wie vor nicht wirklich fassbar. Hier ist tatsächlich alles anders! Zunächst einmal, wie bereits weiter oben erwähnt: Du bist der Exot! Man bekommt einfach sehr viel Aufmerksamkeit. Auch wenn in Ugandas Hauptstadt relativ viele hellhäutige Menschen unterwegs sind, ist es doch noch immer nicht alltäglich. Man wir also von allen Seiten angeschaut,  angerufen und angehupt, in der Regel von Boda-Boda-Fahrern, die dich zu einem (stets etwas zu hoch angesetzten) Preis von A nach B bringen wollen. Die Boda-Bodas sind eine feste Institution in Kampala und stellen an sich schon eine Attraktion dar. Es handelt sich dabei um simple Motorräder Oder Mopeds, auf deren Socius man Platz nimmt. Und ihrer sind viele, unglaublich viele!! Boda-Bodas sind allgegenwärtig. Für Boda-Bodas gelten keine Verkehrsregeln, sie schlängeln sich einfach durch die unglaublich verstopften Straßen, vorbei an allem und jedem, oft in rasantem Tempo. Sie sind, obwohl nicht wirklich sicher (man sollte stets einen Helm tragen; keine Sorge ich habe einen vom Büro bekommen), oft die einzige und eigentlich immer die schnellste Möglichkeit irgendwo hin zu gelangen. Du gehst einfach zur nächsten Straße, wirst als "Muzungu" (die ugandische Bezeichnung für alle „Weißen“/ Ausländer) automatisch angesprochen, tauscht ein paar Standard-Floskeln aus („How are you?“ „Thank you I’m fine. How are you?“ „I’m fine, thank you.“), legt den Preis vorher fest und ab geht die Wahnsinnsfahrt. Es nützt überhaupt nichts eine Adresse zu nennen. In Uganda gibt es zwar Straßennahmen (keine Hausnummern), aber die Leute haben besseres zu tun, als sich diese zu merken, obwohl einige Hauptverkehrswege natürlich geläufig sind. Wenn man an einen bestimmten Ort möchte muss man also mit "landmarks" wie z.B. Namen von Stadtvierteln, Gebäuden, Tankstellen, Hotels oder – für uns Mitteleuropäer schwer vorstellbar- Ampeln arbeiten. Ich habe Stadtpläne gesehen, auf denen alle Ampeln von ganz Kampala eingezeichnet sind und habe sechs gezählt. Sie erfüllen neben der Funktion als urbangeographische Orientierungspunkte jedoch keine weitere. Selbst an den Ampeln habe ich Verkehrspolizisten gesehen, die die Aufgabe einer Ampel übernehmen sollten, jedoch auch kaum mehr als Stafette sind. Von meiner Unterkunft in die Innenstadt bezahlt man so ca. 2.500 – 3.000 Ugandische Schilling, was umgerechnet ca. 80 Eurocent entspricht. Es handelt sich bei Boda-Bodas also gleichzeitig auch um ein relativ preiswertes Fortbewegungsmittel. Insbesondere wenn es dunkel wird sollte man jedoch auf das Boda-Boda fahren verzichten und ein Taxi oder ein Special Hire nehmen. Letzteres entspricht einem Taxi in Europa, ersteres meint einen Kleinbus asiatischer Herstellung in den bis zu 15 Personen gequetscht werden können.

Über den ugandischen Verkehr im Allgemeinen ist zu sagen: Vergesst eure gute europäische Verkehrserziehung, denn sie wird euch nichts nützen. Wer nachgibt wird bestraft, stößt gar auf Unverständins. The bigger your car the more you are! Der Stärkste hat Vorfahrt (außer die Boda-Bodas, die machen wirklich was sie wollen). Auf der einen Seite kann man durchaus darüber lachen und den Kopf schütteln. Auf der anderen Seite muss man aber wirklich aufpassen und für die anderen mitdenken. Der Verkehr stellt noch vor Malaria die größte Gefahrenquelle in Uganda dar, die Opferzahlen durch Verkehrsunfälle sind erschreckend. Dies hat diverse Gründe. Neben der allgemeinen Gesetzlosigkeit auf der Straße vor allem das fehlende Sicherheitsbewusstsein (kaum ein Boda-Boda-Fahrer trägt einen Helm) und die weit verbreitete Sitte nach einem ordentlichen Vollrausch in den Wagen zu steigen und nach Hause zu kurven. Ich bin noch nicht in den Genuss gekommen in dieser Stadt zu fahren, aber es wird bald wohl soweit sein. Seid aber unbesorgt, Fontes fährt als NGO natürlich einen großen Jeep, ich habe also Vorfahrt. Außerdem werde ich am Anfang natürlich nicht alleine losgeschickt. An den herrschenden Linksverkehr gewöhnt man sich nach Aussagen von Lucy, meiner Chefin und Regional Coordinator bei Fontes Foundation Uganda, nach nur wenigen Minuten. Das Gehirn erledigt dies netterweise von selbst. Die Abgase, die die Fahrzeuge hier produzieren sind von ganz anderem Kaliber als in Deutschland. Auch aus den modernsten Jeeps steigen schwarze Rauchwolken in die Luft, die einfach nicht gesund sein können.


Rechts: Das Bürogebäude von Fontes, auch Airtel-Building
genannt
Mein ersten „Arbeitstag“ begann aufgrund meiner späten Ankunft erst um 12 Uhr. Es handelt sich bei der Fontes Foundation (einer norwegischen NGO, die ich in Zukunft nur noch Fontes nennen werde; Homepage der Organisation) um eine sehr kleine Organisation. So hatte ich neben der erwähnten Lucy (Lucrezia) nur das Vergnügen mit Patrick (Büro-Management) und William (Programmkoordinator), im Gegensatz zu Lucy beides Ugander. Das Büro ist im Moment noch in einem Gebäude in Kololo Hill untergebracht, dem auf einem Hügel gelegenen Viertel wo beinahe alle Botschaften und alle NGO’s [Nicht-Regierungsorganisation/Non-Governmental/Non-Profit-Organisation] ihren Standort haben. Das Gebäude liegt direkt neben einer Moschee und da Freitag war kam ich gleich in den Genuss meines ersten Freitagsgebets, dass man zumindest akustisch nicht ausblenden kann. In Uganda besitzen ca. 12 % der Einwohner muslimische Konfession, der Anteil an Christen liegt meines Wissens bei über 80 %, wovon wiederum knapp die Hälfte der römisch-katholischen Kirche angehören, die übrige Hälfte der anglikanischen Kirche. Nach einem längeren Briefing, in dem mich Lucy noch einmal auf die wichtigsten Verhaltensregeln hinwies, bestand meine erste Aufgabe darin mit Leuten aus dem Büro zu Mittag zu essen. Fontes teilt sich seine Büroräume mit mehreren anderen Firmen, die eine Etage gemeinsam nutzen. Da ich nur mit einer MasterCard angereist bin und diese bei so gut wie keiner Bank akzeptiert wird, nutzte ich die Zeit während wir auf das Essen warteten um einige Automaten auszuprobieren. Direkt beim zweiten Versuch gab der Automat meine Karte nicht wieder heraus (Loading, Please wait…). Also wartete ich ca. eine viertel Stunde, bis mir klar wurde, dass ich hier wohl ewig warten könnte um sie wiederzubekommen. Da sich die Automaten aber in einem Extraraum neben der Bank befanden, hätte ich um jemanden Bescheid zu geben den Automaten verlassen müssen. Also war ich hin und hergerissen ob ich nun den Automaten alleine lassen oder warten solle. Schließlich konnte die Maschine meine Karte jeden Moment wieder ausspucken und jemand anders sie einstecken. Da ich noch keine lokale SIM-Karte bekommen hatte konnte ich auch meine Kollegen nicht anrufen. Mir blieb nichts anderes übrig, als zügigen Schrittes in die eigentliche Bank zum Personal zu maschieren und meine Lage zu erklären. Zuvor war ein Sicherheitsmann war auf mich aufmerksam geworden und hatte versprochen das Personal zu informieren. Wie aber leider in Uganda üblich (das ist nicht wertend gemeint, es ist hier einfach Realität) hat er dies natürlich nicht getan. Man muss hier einfach an den Dingen dranbleiben und die Leute mehrfach erinnern. Die Menschen sind hier aber so unglaublich entspannt, lassen sich von nichts und niemanden stressen, dass man es ihnen gar nicht über nehmen kann. In der Bank wurde mir dann gesagt, dass die Angelegenheit wohl den ganzen Tag dauern könne. Mein verzweifelter Anblick hat dann aber wohl ausgereicht um die Sache über den kurzen Dienstweg laufen zu lassen. Die Karte wurde von hinten aus dem Automaten geholt (als ich zu  der Maschine zurückkehrte hatte sie doch tatsächlich meine Karte ausgespuckt, ich war nur eine Millisekunde zu spät, sodass sie mir durch die Finger wieder entglitt…) und ich musste meinen Ausweis vorzeigen, von dem die Daten fein säuberlich notiert wurden. So ist also viel Muzungu-Schweiß geflossen, nur weil ich meine Kreditkarte an einer mir unbekannten Bank ausprobieren wollte. Hier meine erste Reiseempfehlung für jeden, der mir nacheifern möchte: Besorgt euch eine VISA-Karte, es ist so deutlich unkomplizierter! 
Nach dem mittlerweile kalten Essen stand meine erste Boda-Boda-Fahrt auf dem Programm, da Lucy noch einen anderen Termin wahrnehmen musste. Es ist ein wunderbar abenteuerliches Gefühl auf dem Mopped durch diese verrückte und noch unbekannte Stadt zu wetzen. Wieder im Büro war noch Zeit einige beruhigende Mails in die Heimat zu senden und schon war mein erster Arbeitstag vorbei. Wirklich ernst wird es für mich also erst ab Montag.

Was meine Unterkunft betrifft, die Muzuri Kampla Shared Flats (wer sich ein Bild machen möchte, es gibt eine Facebook-Seite) kann man sich sicherlich nicht beklagen. Mein Zimmer ist klein, aber ausreichend, denn im Haupthaus gibt es ein großes Ess- und Wohnzimmer und eine recht gut ausgestattete Küche. Es handelt sich um eine typische Adresse für Volontäre, Praktikanten und Austauschstudenten, sodass man sehr schnell viele interessante Leute aus aller Welt kennenlernt. Es gibt sogar warme Duschen und echte Toiletten, alles nicht selbstverständlich.

Muzuri Kampala Shared Flats

Ein weiteres, sehr auffälliges und gewöhnungsbedürftiges Kuriosum stellt die allgegenwärtige Präsenz von Waffen (in der Regel Schnellfeuergewehre und Schrotflinten/Pump-guns) dar. Nicht nur das die Polizei absolut martialisch und schwer bewaffnet auftritt. Vor jeder Bank, jedem Hotel, vor den besseren Restaurants, ja selbst vor Supermärkten und in Parkhäusern sitzt mindestens eine Wache auf einem Stuhl mit der Waffe auf dem Schoß. Ein wirklich sehr verstörendes Bild, wenn man es zum ersten mal sieht… Eingeprägt hat sich mir auch das Bild eines ca. 4-jährigen Jungen, der mit seinen Freunden und einer Machete in der Hand auf einem Erdhaufen spielte.

Natürlich drängt sich die Andersartigkeit auch in der Tier- und Pflanzenwelt auf. Auf meinem ersten Spaziergang durch Kampala musste ich mich zunächst daran gewöhnen, dass keine Tauben, sondern mitunter wirklich große Vögel in den Bäumen sitzen und dich beobachten. Das exotischste Exemplar erinnerte vom Aussehen her an einen Pelikan und war ein echter Brummer. Die Stadt an sich ist unglaublich wuselig. Alle scheinen durchgehend irgendeiner mehr oder weniger sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, putzen den Gehweg, laufen mit Klemmbrett und Kugelschreiber von Tür zu Tür oder sitzen auf der Straße und versuchen irgendetwas an den Mann zu bringen. Extreme Armut und großer Reichtum koexistieren an jeder Ecke. Man kommt an einem großen Bankgebäude vorbei, geht um die Ecke und steht schon fast in einem Slum. Auch daran muss man sich gewöhnen, es ist oft kein schöner Anblick
Am Samstag ließ ich mich dann noch dazu breitschlagen mit Dave (Zimmernachbar und US-Amerikaner) und Charles (Bruder der Besitzerin der Muzuri Flats, der auch hier wohnt) einen ersten Schritt in das berühmte Nachtleben Kampalas zu wagen. Laut Dave, der schon ziemlich in Afrika rumgekommen ist, handelt es sich um das vielfältigste und attraktivste Nachtleben in ganz Ostafrika. Also suchten wir einen Club ganz in der Nähe der Wohnung auf. Wie scheinbar in einem Großteil der Bars und Diskotheken fand auch hier die Party unter freiem Himmel statt, was mir sehr gut gefiel. Hier offenbarte sich mir ein weiterer frappierender Unterschied zwischen Ugandern und Westeuropäern. Die Menschen in Uganda haben den Rhythmus im Blut und können einfach verdammt gut tanzen. Da brauchen wir gar nicht erst anzufangen, es endet ohnehin darin, dass man großes Gelächter erntet. Gut das ich eher den Tanzmuffeln zuzuordnen bin, sodass ich wohl kaum Gefahr laufe mich richtig „zum Affen“ zu machen.

Am heutigen Sonntag (an dem trotzdem fast jedes Geschäft geöffnet hat) machte ich einen Ausflug in die Altstadt Kampalas mit dem wohl verrücktesten Platz in Kampala, den Old Taxi Park. Außerdem besuchte ich die Nationale Moschee, auch Gadaffi-Moschee genannt, nach ihrem edlen Spender. Hier lernte ich auch einiges über die Geschichte der Stadt. Ich habe leider keine Zeit hier in's Detail zu gehen und werde später davon berichten. 

Old Town Kampala und The Old Taxi Park. Organisiertes Chaos?!
 
Das sollte als ein erster Einblick genügen. Ich kann nicht versprechen, dass ich regelmäßig und in diesem Umfang aus Uganda berichten kann, werde aber mein bestes geben um euch auf dem Laufenden zu halten. Ich lass von mir hören!