Lange hat es gedauert und fast hatte ich schon selbst nicht mehr daran geglaubt, doch hier ist er nun: Der letzte und wichtige Blogeintrag. Sieben Wochen nach meiner Rückkehr konnte ich mich heute dazu durchringen ein kurzes Resümee zu verfassen. Es sollen Fragen beantwortet werden wie etwa "Welche Eindrücke bleiben?", "Wer wurde wie durch was in welcher Weise beeinflusst" oder schlicht und ergreifen "Was ist geblieben von dem was bleibt?".
Was da noch geschah:
Ich habe die letzten beiden Wochen meines Aufenthaltes in Uganda sinnigerweise mit Reisen verbracht. Begleitet von meiner Freundin und zwei weiteren Freundinnen ging es nach 5 Tagen Kulturschock-Kampala mit gemietetem Jeep und unserem Fahrer Milton auf eine Rundreise durch West- und Nordwest-Uganda. Zwar hatte ich während meines Aufenthaltes schon viele Orte und Landschaften, wie etwa den Queen Elizabeth National Park und den Murchison Falls National Park, gesehen, was dem Ganzen hinsichtlich Schönheit und Erlebnisreichtum aber natürlich keinen Abbruch tat. Insbesondere das auch für mich neue Fort Portal, die Hauptstadt des gleichnamigen Distriktes und des Königreichs Toro, wo wir 3 Nächste verbrachten, hat die Kategorie wunderbare Eindrücke noch einmal stark bereichert. Dieser Beitrag soll nur mit ein paar wenigen fotographischen Eindrücke der Reise gespickt werden, um den Leser bei der Stange zu halten; aber schließlich soll hier ja eigentlich um etwas anders gehen.
Trotzdem muss ich das Resümee wiederum in Kampala beginnen. Die 5 Tage in denen wir die Stadt besichtigten, hatten es wie erwartet in sich. Doch so anstrengend es auch war, muss ich letzten Endes doch froh um diese Tage sein, da ich sonst eventuell mit einer rosaroten Brille auf der Nase nach Hause geflogen wäre. Mein sonst vielleicht überschwängliches ausgefallenes Urteil über die ugandische Gesellschaft wurde jedoch vor allem durch zwei Vorfälle noch einmal getrübt. Zum einen war es in den Wochen zuvor in der Altstadt scheinbar zu Übergriffen auf Frauen gekommen, die "zu leicht bekleidet" gewesen waren. Die Frauen wurden zur Demütigung in aller Öffentlichkeit ausgezogen. Auch eine Dame meiner Reisegruppe hatte sich offenbar für einige Männer (und auch Frauen) zu offenherzig angezogen, wobei ihr Kleid gerade mal kurz über dem Knie endete und einige selbstbewusste Uganderinnen deutlich aufreizender herumliefen. Als Europäerin unterliegt man hier allerdings wohl einem strengeren subjektiven Urteil. Jedenfalls mussten wir uns einige unangenehme Kommentare anhören und Argwohn war in vielen Blicken zu spüren. Eine sehr unangenehme Erfahrung.
Hintergrund des Ganzen ist das mittlerweile verabschiedete "Anti-Pornographie-Gesetz", das unter anderem Frauen das Tragen eines zu aufreizendes Outfit verbietet (das Gesetz wurde in der Vergangenheit auch "Anti-Minirock-Gesetz" tituliert). Was "aufreizend" bedeutet wurde natürlich nicht definiert...
Ein weiterer menschenrechtlicher Tiefschlag war die Verabschiedung des weltweit bekannt gewordenen "Anti-Homosexualitäts-Gesetzes". Von nun an können homosexuelle Handlungen in Uganda mit lebenslanger Haft bestraft werden. Schockiert stand man vor den Zeitungsregalen und konnte es nicht fassen, auch wenn eine Unterzeichnung des im Parlament schon kurz vor Weihnachten verabschiedeten Gesetzes durch den Präsidenten abzusehen war. Gleich wurde ich aus einem Taxi heraus angequatscht, dass dies hier Afrika sei und man keine Homosexuellen wolle. Wut und Fassungslosigkeit über soviel (vor allem fremdgesteuerte) Dummheit vermiesten mir nicht nur diesen Tag. Eine "Anti-westliche" Stimmung war deutlich zu spüren. Überhaupt hatte ich den Eindruck bekommen, dass am Ende der ganzen internationalen Diskussion von Seiten Ugandas vor allem Trotz eine bedeutende Rolle gespielt hat. 'Man lasse sich von Europa und den USA nicht ihre liberalen Gesellschaftsstrukturen aufzwingen und sich mit Geldern der Entwicklungshilfe erpressen', war eine oft vorgebrachte Reaktion. 'Homosexualität sei "unafrikanisch" und nicht Teil der ugandischen Kultur', eine andere. Hier mischt sich ein neues nationales und kulturelles Selbstvertrauen (wie es in ganz Ostafrika zu spüren ist) mit den schlechtesten Einflüssen einiger polemischer, selbsternannter Wortführer, vor allem aus dem religiösen Milieu. Das Ergebnis ist ein menschenverachtendes Gesetz, das gegen grundlegende Menschenrechte, gegen die Ugandische Verfassung selbst und gegen von Uganda unterzeichnete, internationale Abkommen verstößt. In den Medien wurde oft erwogen, dass Musevini mit der Unterzeichnung nur taktisch gehandelt habe, da er darauf spekuliere, dass das ugandische Verfassungsgericht das Gesetz aufgrund festgestellter Illegitimität wieder kassieren werde. Somit hätte er bei der Bevölkerung sein Gesicht gewahrt und würde eine wichtige Forderung der Geberländer erfüllen, die ihre finanzielle Hilfe an Uganda als Reaktion auf das Gesetzt stark beschnitten oder eingefroren haben. Wer an dem Thema interessiert ist, dem seien hier zwei sehr gute Dokumentationen zum Thema empfohlen: 'Call me Kuchu' und 'God Loves Uganda'.
Erwähnt sei noch, dass hier von den internationalen Medien Uganda herausgegriffen und intensiv behandelt wurde, es sich aber leider mitnichten um einen Einzelfall handelt. Ähnliche Gesetze gegen Homosexelle, Bisexuelle und Transgender wurde Anfang des Jahres auch vom nigerianischen Präsidenten Goodluck Jonathan unterzeichnet. In der Mehrheit der Länder des afrikanischen Kontinents gibt es mehr oder weniger strenge Gesetze gegen homosexuelle Handlungen. Im Sudan droht z.B. die Todesstrafe. Doch nicht nur Afrika ist von der sich ausbreitenden Dummheit betroffen. Auch Indien ("größte Demokratie der Welt") hat jüngst Gesetze erlassen, die die Rechte Homosexueller beschneiden. Russland reiht sich ein und auch in Europa nehmen Ressentiments gegen Homosexuelle und ethnische Minderheiten mit dem Aufschwung einer neuen Rechten rasant zu (siehe z.B. Ungarn unter Orban als eines von vielen Negativbeispielen).
Mein Bild von der ugandischen Gesellschaft wurde durch diese beiden Vorfälle kurz vor der Abreise also noch einmal maßgeblich modifiziert. Es bleibt jedoch der Eindruck, dass diese ultra-konservativen und teilweise in Hass umschlagenden Ansichten bewusst von einigen Akteuren in Kirche und Staat gestärkt und radikalisiert werden.
Insgesamt und damit kein falscher Eindruck entsteht muss ich nun aber endlich die überfällige Lanze für die Ugander brechen. Sieht man von diesen erschreckenden Auswüchsen einmal ab (und wie immer denkt natürlich bei weitem nicht jeder so), bleibt nur positives zu berichten. Ich habe mich in Uganda zu keiner Zeit unwohl gefühlt und bin von seinen Einwohner und der entsprechenden Lebenseinstellung tief beeindruckt. Ich habe unglaubliche Gastfreundschaft erfahren, Unvoreingenommenheit und Freundlichkeit. Es herrscht eine Art vor, an die Dinge ran zu gehen, die nur als absolute Entspanntheit beschrieben werden kann ohne das in irgendeiner Form negativ zu meinen. Die Dinge funktionieren auch hier, wenn auch eben anders als in Europa. Man lernt, aus einem Moskito keinen Elefanten zu machen und nicht sogleich in Panik auszubrechen, wenn der im Kopf zurechtgelegte Plan wie gedacht nicht umsetzbar ist. Und überhaupt: Das beste und größte ist die unglaubliche Lebensfreude mit der die Menschen ihren in der Regeln schwierigen Alltag meistern. Ich habe mit Menschen an einem Tisch gesessen, deren Leben und Lebensstandard sich so fundamental von dem meinem unterscheidet, dass es jeder Beschreibung trotzt. Und trotzdem scheinen diese Leute glücklicher zu sein und mit ihrem Leben mehr zufrieden, als ich es je gewesen bin.
Diese durch und durch subjektiven Eindrücke werden sich von denen anderer Reisender in "Entwicklungsländer" in keinster Weise unterscheiden und man hat sie sicherlich schon (zu) oft gehört. Außerdem muss man sich die Frage stellen, wie sehr man in nur einem knappen halben Jahr überhaupt in eine fremde Kultur eintauchen kann (auf jeden Fall: unzureichend) und was ein Urteil dann noch wert ist. Trotzdem, es sind diese Eindrücke die bleiben. Und noch viel mehr. Erwähnt sei nur das unglaubliche Improvisationstalent, das allgegenwärtige Rhythmusgefühl, und und und. Viele Geschichten bleiben unerzählt. Und damit haben die Ugander nun auch die verdiente Lobeshymne bekommen die ihnen im Grunde zusteht.
Um das Gras für die Tiere zu erneuern werden, wie hier im Queen Elizabeth National Park, jedes Jahr kontrollierte Brände gelegt. |
Nun Zeitsprung:
Das Flugzeug setzt auf. Bei der Landung bitte klatschen, mein Freund. Flughafen Köln-Bonn. Es ist arschkalt und ich befinde mich gefühlt in der Zukunft. Das Flughafengebäude erinnert an ein Raumschiff aus einem schlechten Science Fiction mit all seinem Glas und Stahl. Alles sauber, alles gemäßigt, alles ruhig und geregelt. Im Parkhaus sieht es zunächst aus als lebten hier nur reiche Leute (und gewissermaßen stimmt das ja auch). Alles neu, alles blank poliert, alles teuer, alles Luxus. Dann die Heimfahrt über die Autobahn: Man übertreibt nicht wenn man sagt das man glaube auf einem Luftpolster mit unglaublicher Geschwindigkeit dahinzuschweben. Die Landschaft fliegt vorbei und verschwimmt und der farbliche Kontrast zu dem hinter mir Liegendem ist frappierend. Fahle Farben. Blassbrauner Acker, kahle Bäume. Ein relativ trostloses Bild. Den Jahreszeitenwechsel hatte man ja erfolgreich verdrängt.
Erneut Zeitsprung:
Statt mit dem Boda Boda durch eine dynamische Millionenstadt fahre ich mit dem Fahrrad durch die wie ausgestorben scheinende Hauptstraße meiner 8.000 Einwohner-Heimatstadt. Wenn man Vergleiche anstellt muss man manchmal lachen.
Wieder Zeitsprung:
Sieben Wochen sind seit meiner Rückkehr vergangen. Der Alltag hat mich wieder fest im Griff und ich merke wie ich in alte Muster zurückfalle. Erstaunlich, welchen Einfluss die Gesellschaft und das allgemeine Verhalten auf das eigene hat. Stress macht sich wieder bemerkbar. Ich stecke in den Vorbereitungen meiner Masterarbeit und mache mir selbst Stress. Unentspanntheit und Knartschigkeit sind nun keine schon fast vergessenen Gefühlszustände mehr.
Das Umland von Fort Portal: hunderte Kraterseen in einer hügeligen Landschaft. Im Hintergrund das bis zu 5.000 m aufragende Rwenzori Gebirge. |
Was hier emotional und vielleicht zugespitzt beschrieben wird trägt im Kern natürlich viel Wahrheit. Man merkt schon, dass es viel zu viele Leute gibt (mich eingeschlossen), die sich das Leben selbst schwerer machen als es sein müsste. Man vergisst oft tatsächlich das Wesentliche und stört sich an nichtigen Kleinigkeiten. Da das Groß der Gesellschaft so handelt fügt man sich nahtlos ein in eine Nüchternheit und Engstirnigkeit, die mehr Sorgen bereitet als das sie nützt. Was die Einstellung zum Leben und den Umgang miteinander angeht, können wir uns von den Ugandern eine Dicke Scheibe abscheiden (ja, natürlich abgesehen von der in einigen Köpfen vorherrschenden Intoleranz gegenüber Minderheiten; aber das können einige im unserem Lande ja auch ganz gut). Man erschreckt und ärgert sich über sich selbst wenn man merkt, wie schnell man wieder in alte Denkmuster und Verhaltensweisen zurückfällt und hofft, dass sich die ein oder andere Einsicht doch festsetzt und erhält.
Ich möchte jedem Interessierten empfehlen Uganda zu besuchen. In keinem Land im östlichen Afrika reist es sich so unkompliziert, sicher und günstig. Der Abwechslungsreichtum der Landschaft ist atemberaubend und wird von vielen Reisejournalisten weltweit als einmalig beschrieben, gerade auch weil es sich um ein sehr kleines Land handelt. Im Grunde sind die Leute überaus (gast)freundlich, im positiven Sinne neugierig, und offen für andere Kulturen. Die ganze Region ist in fast jeder Hinsicht aufstrebend. Das Wirtschaftswachstum ist enorm, das Potential an Arbeitskräften unermesslich. Mit all den Problemen, die das Ganze mit sich bringt, ist eines sicher: Grundsätzlich haben die Entwicklungen eine positive Tendenz und Ostafrika wird zu einem bedeutenden (nicht nur) wirtschaftlichen internationalen Standort aufsteigen. Die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft bergen eine unglaubliche Dynamik in sich, welche die alte, fette Tante Europa aussehen lässt wie ein schmauchendes, uraltes Dampfschiff, das siechend und schlingernd seinem Exitus entgegentuckert (ich übertreibe um zu verdeutlichen).
Ugandischer Hühnertransporter. Alle Tiere sind noch am Leben und bei Bewusstsein. Zu ihrem Leidwesen... |
Uganda und seine Nachbarn sind sich dessen durchaus bewusst und in der ganzen Region hat sich ein neues Selbstbewusstsein und eine Selbstbestimmung entwickelt, die auch in den ganz alltäglichen Gesprächen mit Einheimischen zu spüren ist. Ausländer sind in der Regel gern gesehen, aber sie sollten auch verstehen, dass die entsprechenden Länder nun ihren eigenen Weg gehen wollen und dies schon lange tun. Ein Satz aus einem Gespräch mit einem jungen Anwalt auf einer Party in Kampala ist mir in Erinnerung geblieben und drückt meiner Meinung nach sehr viel aus, so profan er auch klingen mag. Er lässt sich in etwa wie folgt wiedergeben: "Wir wollen von euch nicht mehr gesagt bekommen was falsch und was richtig ist. Wir wollen unsere eigenen Fehler machen."
Ich weiß die Vorzüge unsere relativ freien und fortschrittlich-hochentwickelten Gesellschaft durchaus zu schätzen. Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt und schwarz-rot-gold schon gar nicht. Bewusst provokativ und plakativ kann ich es mir nicht verkneifen ganz zum Schluss wie folgt zu zitieren:
"Es ist Deutsch in Kaltland
In dem Land der sauberen Bürgersteige
Wo die Ordnung mehr als alles andere zählt.
Es ist Deutsch in Kaltland
In dem Land der glänzenden Fassaden
Wo man die wahre Reinheit für die reine Wahrheit hält."
...außerdem wurde sicherlich noch kein Blog mit einem Deutschpunk-Klassiker beendet. Wahrheiten sollte man manchmal nicht komplizierter als nötig aussprechen.